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Es werden Posts vom 2019 angezeigt.

Wenden und umkehren

Niemand handelt gern gegen seine Prinzipien. Hinter seinen eigenen Ansprüchen zurückzubleiben, schmeckt bitter. Bauchschmerzen machen aber vor allem die Entscheidungen, die wir bereuen. Wenn wir anders handeln, als wir es uns von uns selbst wünschen. Wenn die getroffene Entscheidung so nicht in das Bild passen will, das wir von uns haben (oder gerne hätten). Gründe gibt es genug, und ich gehe so weit, zu behaupten, manchmal ist es unvermeidlich, ein oder zwei Ideale über Bord zu schmeißen. Oder zumindest für einen Moment die Augen zu verschließen und so zu tun, als seien sie nicht da. Handle ich gegen besseres Wissen und Gewissen, ist das ein bisschen wie das Einhauen einer Wand: Da war etwas, was ich für fest und gesetzt hielt, und dann lässt es sich so leicht zum Einsturz bringen. Woran soll ich mich denn dann orientieren? Manchmal gibt es ein Zurück. Das ist oft mit Reue und Demut verbunden. Manchmal bleibt nur, es als Lektion zu betrachten, die einem das Leben auftrug, zu sc

Der Reiz der Mittelmäßigkeit

Rennen, um die Wette, so schnell ich kann, immer. Um ja nicht stehen zu bleiben. Um ja nicht abgehängt zu werden. Zurückzubleiben und in ein paar Jahren mitleidige Blicke zugeworfen zu bekommen, während ich weiß, dass sie in ganz anderen Ligen spielen. Will ich das? Vielleicht will ich ja gar nicht perfekt sein. Vielleicht reicht mir mittelmäßig, wenn ich dafür im Reinen mit mir selbst sein kann. Ruhig schlafen, weil ich mit meinen Werten lebe, anstatt Tag für Tag in jemand anderes Interesse gegen sie zu handeln. Mich nicht vergleichen müssen, weil ich weiß, dass sie in den meisten Punkten zwar besser abschneiden, das aber nicht die Punkte sind, in denen ich gut sein will. Mich nicht über meine Position oder meinen Kontostand definieren, sondern darüber, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Auf die um mich herum achten anstatt auf das Oben. So komme ich nicht weit, aber zur Ruhe. Schnell bin ich sowieso nicht, und wenn, nur mit Unmengen Kaffee. Die Vorstellung, dass es imme

Sonntagnachmittage

Nichts ist befreiender, als Ängste anzugreifen. Treten wir mit ihnen ins Duell, verlieren sie ihre furchterregende, übermenschliche Größe. Nicht immer gewinnen wir den Kampf. Aber auf einen starken Gegner muss man sich eben vorbereiten. Die Niederlagen nicht als unabwendbares Schicksal zu sehen, sondern weiterzumachen, immer wieder in den Zweikampf zu gehen - das ist die Kunst (hach, meine geliebten Gedankenstriche). Mir machen freie Sonntagnachmittage mit schlechtem Wetter Angst. Das Fiese: Sie kehren wöchentlich wieder. Ich kann mir im Voraus für jeden Sonntag ein Beschäftigungsprogramm zusammenbasteln, Leute dazu verdonnern, mir ihre Gesellschaft zukommen zu lassen, mir viel zu viele Sachen vornehmen, mich furchtsam in die Ecke kauern. Oder ich warte einfach ab. Lasse den Sonntagnachmittag kommen. Schaue, was passiert. Oder eben auch nicht. Meist passiert nämlich: nichts. Kein Monster frisst mich auf, kein Schatten sucht mich heim, ich sterbe nicht vor Langeweile oder Einsamkeit

(Kein) Platz für Fragen

Von A nach B, dann nach C, Route checken, weiter zu A. Wir rennen im Kreis. Schaue ich mir den Alltag meiner Mitmenschen an, so kommt mir das sogenannte moderne Leben manchmal vor wie ein makellos inszeniertes Schauspiel. Jeder hat seine Rolle, den ihm zugedachten Text, alle wissen Bescheid. Alle spielen mit. Ich auch? Ich bin jetzt in dem Alter, in dem man sich qualifizieren sollte, sich ausbilden lassen, sinnvoll einen Stein auf den anderen setzen, um am Schluss etwas Vollständiges, Sinnvolles Respektables konstruiert, ja, (aus)gebildet zu haben. Ich scheue davor zurück, wie ein frisch geborenes Lamm stehe ich noch auf wackligen Beinen und habe Angst, loszulaufen. Arbeit, der Ernst des Lebens. Diesem Ernst will ich noch nicht in die Augen schauen. Verantwortung. Aber da ist noch etwas, was mir Bauchgrummeln bereitet. Manches, was als Arbeit bezeichnet wird, wirkt auf mich wie Beschäftigungstherapie. Sortiere nach folgendem Schema etwas hier ein. Sortiere es morgen wieder au

Verwurzelt

Wo kämen wir denn hin, wenn jeder einfach er selbst wäre? Humanistische Psychologen gehen von der Annahme aus, dass jeder Mensch alles, was er zum Leben braucht, in sich trägt. Dass in jedem uns die Saat gesetzt ist, die uns Wachstum und Reifung und letztlich ein erfülltes Leben ermöglicht. Welch eine befreiende Vorstellung: Kein Ding, kein Beruf, kein Mensch ist zu unserer Zufriedenheit nötig. Wir müssen nur lernen, diesem Wissen zu vertrauen. Unserer Intuition. Sie wird uns leiten und uns mitteilen, was uns gut tut und was nicht. Wo wir hingehören, ist in uns selbst. Was wir tun, bestimmen wir selbst. Wenn wir uns Zwang aussetzen, dann bewusst und aus freiem Willen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn wir es nicht wollen, müssen wir es nicht tun. Die Lösung in mir selbst zu suchen, ist für mich eine neue Idee. Ich beginne aber, mich mit ihr anzufreunden. Vielleicht wird sie lebenslang, diese Freundschaft.

Fragen, die man nicht fragen soll

Wer sind wir, zu wissen, wohin wir geh'n? Weshalb und wofür wir steh'n, wo wir steh'n? Und wenn wir's doch wüssten, was brächt' es uns? Nicht-Wissen aushalten - ist das die Kunst? Den mächtigen Fragen, kann ich nicht weichen, Kein Ort, an dem sie nicht rumschleichen. Suche die Antwort und habe kein Glück: Komm immer wieder zum Anfang zurück. Frag ich and're, schau'n sie ins Leere. Als ob die Frage gleichgültig wäre. Die Antwort, die ich hoff', zu kriegen für meiner Seele Ruh' und Frieden vielleicht kann ich sie selbst kreiieren. Ich darf nur nicht den Mut verlieren.

Ideale

Ich suche und laufe dem Glück hinterher, grad' war's noch da - jetzt will's mich nicht mehr. Nun hat sich's einen andern gesucht während ich das Suchen & Rennen verfluch. Ich wollte gut und noch besser sein und wurde dadurch doch ganz klein Wachstum kommt, wie mir nun scheint, wie's meiste im Leben von allein. Ich wollt' es allen andern beweisen das Rad neu erfinden, Grenzen einreißen doch welcher and'rer (Schein-) Interesse, ists's wert, dass ich dafür vergesse Was für mich und auf dieser Welt viel mehr als Größe und Stärke zählt: Ehrlichkeit, Liebe spüren und geben Was will ich denn noch mehr im Leben? Wunderbare Hintergrundmusik zum Schwelgen (und Putzen)

Meine kleinen Spießer

Meine kleinen Spießer. Das sind Hürden, über die ich springen muss. Sonst bin ich kein akzeptabler Mensch. Normative Standards könnte man sie auch nennen: "So musst du mindestens sein, um eine Berechtigung als vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft zu bekommen." Eine Art Führerscheinprüfung für das Vehikel Erwachsener. Was das heißt: Etwas Sinnvolles mit seinem Leben anstellen (ja, so konkret sind die Anforderungen). Niemandem zur Last fallen. Sich selbst versorgen. Aber auch bei den vielen kleinen Entscheidungen des Tages wollen die kleinen Spießer mitreden: Wie verhalte ich mich in der Öffentlichkeit? Was darf ich sagen, was gehört sich nicht? (Laut werden zum Beispiel sehen die kleinen Spießer gar nicht gern.) Wie viel Alkohol darf sein? (Am besten gar keiner. Außer auf Parties, sonst wirkt man seltsam und verbohrt.) Manchmal sind sie hilfreich, denn sie sprechen sich klar für eine Option aus, wenn zu viele zur Wahl stehen. Sie tolerieren aber meist auch keine an

Ein eierndes Karrussell

Ich wälze Gedanken wie die Seiten eines schweren, dicken Buchs. Genauso fühlt sich auch mein Kopf an: schwer. Der Prozessor ist überfordert mit der tausendsten Nachkommastelle, die jetzt auch noch ins System gepresst werden soll. (IT-Menschen greifen sich hier an den Kopf. Entschuldigt, ich habe eigentlich keine Ahnung von der Materie.) Ich grüble über den Preis von Gurken, warum Menschen so viel am Handy sind, ob ich wohl gut schlafen werde kommende Nacht. Wie viel Alkohol noch verträglich ist, was der Mensadame so die Laune verhagelt hat und warum die Bibliothek wohl von Teppich bis Decke grau ist. Was meine Freunde jetzt wohl alle so tun, warum ich eigentlich studiere, wie froh Menschen in Dritte-Welt-Ländern über dieses Privileg wären und wie undankbar ich. Ob ich wohl besser geputzt hätte heute anstatt rumzusitzen, wo die Leute mit ihren großen Rucksäcken jetzt wohl über Ostern alle so hinfahren und ob sie dort Spaß haben werden. Was diese Gedanken vereint, ist das Kriterium

Wie reden wir eigentlich miteinander?

Es sind Ferien. Höchste Zeit, sich nach all dem für den Status eines ernsthaften deutschen Bürgers notwendigen Kleinkram wie Prüfungen und Arbeit mal wieder Gedanken über das Essentielle im Leben zu machen. Das schreibt sich ja schlecht auf Vorlesungsfolien nieder. Wäre ja auch langweilig. Leben lernt sich wohl besser in der Praxis. Jedenfalls betrachtete ich in den letzten Wochen so das menschliche Miteinander, vor allem das auf der kleinsten Ebene: Familien, Freunde und solche, bei denen sich eine der beiden Beziehunsgformen anbahnt.  Dabei fiel mir auf, wie viel Platz für Miss- und Unverständnisse Kommunikation bietet. Bedeutungen mag die menschliche Sprache nicht eineindeutig zu vermitteln. Eine weit größere Rolle spielen jedoch die Erwartungen und impliziten Vorstellungen, die sowohl beim Sender als auch beim Empfänger einer Nachricht vorliegen. Über den Inhalt, die eigene sowie die Rolle des anderen in der Beziehung, darüber, was dieser - vermeintlich - erwartet. So kann die