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Es werden Posts vom 2016 angezeigt.

Hey ho, let's go!

Wer aufmerksam meine Aufzeichnungen studierte, weiß vielleicht, dass ich anfangs das ein oder andere Problemchen, oder nennen wir es fachdeutsch, "Anpassungsschwierigkeiten", hatte. Vielleicht war ich ein deutscher Stecker in einer bolivianischen Steckdose- ohne Adapter. Zwischendurch fiel der Strom aus, das Kabel brach oder die Steckdose war besetzt. Kurz: Es lief (oder eher floss) nicht immer. Aber wenn ich steckte, dann fest, dann schoss der Strom so durch meine Fasern, dass sich eine Techniknulpe (höhö. Da bin natürlich nicht ich gemeint ;) ) gelegentlich mal ordentlich eine gewischt bekommen konnte. Aber Stromschläge regen ja bekanntlich die Hirnaktivität an :) Was in den letzten Wochen passierte: - Mellis und Wiebkes Jugendzentrum wurde neues Make-Up verpasst, und ich beschmierte mehr mich selbst als die Wände. - Die comarapenischen Gefilde wurden von einer weiteren Schar Allemannen invadiert: Wiebkes Familie brachte ein wenig Deutschland (konkret: SCHOKOLADE!) mi

Warum man Bolivianer moegen muss

www.pinterest.com Typisch deutsch- das ist für mich, nun mit etwas Abstand, Pünktlichkeit, Ordnung, Büokratie, Industrie (oder arbeitet ihr in eurer Freizeit gelegentlich auf dem Feld? ;) ) und eine gewisse kühle – nennen wir es Distanz. Checkt man in einem Hotel ein, werden eingeübte Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht, auf den Cent genau bezahlt und sachlich die Details abgeklärt. In den meisten Buden in Bolivien sucht man erstmal den Verantwortlichen oder dessen Schwester, Schwiegersohn oder Neffen dritten Grades. Der kommt verpennt, mit drei Kindern im Schlepptau oder im weiblichen Falle mit Lockenwicklern in der Frise angelatscht.  Man wirft sich Satzfetzen zu, der Preis hängt von der Bereitschaft des „Verantwortlichen“ zur Verhandlung ab. Niedergeschrieben wird hier außer dem Namen des Gastes meist nichts. Von Anfang an ist man auf Du und meist ist auch ein kleines Pläuschchen im Zimmerpreis enthalten. Gutes Essen hat Prioritaet Wenn der Bolivianer Fremdes oft mit eine

Zu Besuch bei Omi

Ein weitläufiges Haus, ein großer Innenhof mit Bänken zum Ausruhen, ein Garten voller Rosen. Gemälde zieren die Wände, ein Flachbildfernseher das Wohnzimmer. Jähes Geschrei zerreißt diese Idylle. Wir befinden uns im Altenheim Santo Domingo, und der Bewohnerin Perfecta passt irgendetwas so gar nicht. Wer oder was der Störfaktor ist, kann nicht ausgemacht werden. Wie einige andere ist Perfecta stumm. Das ist eines der vielen Dinge, die man hier lernt: Sich mit Händen und Füßen zu verständigen. Dann gibt es noch die Fäkalien, mit denen man sich intensiv auseinandersetzen muss. Zur Erhaltung eurer hoffentlich guten Laune gehe ich an dieser Stelle nicht weiter ins Detail. Menschen altern unterschiedlich- das kann man an den etwa 35 Omis und Opis hier beobachten. Da gibt es die, die einfach nur ihre Ruhe haben und vor sich hin dösen möchten. Die, die bitterer sind als jeder türkische Mokka und sich auf Krawall gebürstet über eine Druckstelle an ihrer Kartoffel echauffieren. Manchen jedo

Zum Wein(en)

Dieser Genuss, wenn ein edler Tropfen den Rachen hinunterrollt wie fluessiges Gold. Der fruchtig-herbe Nachklang, der Aromen von weissfleischigem Pfirsich mit bittersuessem Zimt vereint... Habt ihr jemals solche Sinesfreuden verspuert? Ich auch nicht. Wein liess mich bisher noch nie in himmlischen Sphaeren schweben, sondern schwebte meistens in meinen Kopf hinauf, wo er mir am naechsten Tag ein sanftes, aber bestaendiges Pochen verursachte. Aber man soll ja offen sein fuer Neues, und so machte ich mich von Cochabamba auf die 15 stuendige Reise nach Tarija, das drei Stunden von der argentinischen Grenze entfernt im Sueden Boliviens liegt und fuer seinen guten Wein beruehmt ist. Bei der Ankunft taute ich erstmal mein Eisbein auf, damit mich dieses auf der Suche nach einem Hostel durch Tarijas Zentrum tragen konnte. Ich passierte eine Parade mit Humpa Humpa und Taeterae, bevor ich endlich mein Ziel und dort Chrissi fand. Zusammen durchlatschten wir Tarija, das durch absolute Sauberkeit

Ausflug in die Natur oder: das große Speien

Fährt einer in die Ferne Und isst dazu noch gerne Geht’s ihm mit etwas Pech Gelegentlich mal schlecht. So holperten meine Mitfreiwillige Lea aus Santa Cruz und ich eines sonnigen Samstagmorgens von Cochabamba ins vier Stunden entfernte Bergdörfchen Toro Toro. Wir waren hungrig nach neuen Abenteuern, nach Schluchten und Wasserfällen und dem Duft der Wildnis. Statt Wohlgeruch zog uns beim Ankommen eisige Kälte unter den Pelz, das Dorf war ein von jeglichem Empfang abgeschnittener  Fleck inmitten einer virtuell vernetzten Welt, und meine geliebten Karotten konnte ich auch nicht finden. Dafür wartete das 300-Einwohner-Kaff mit nächtlicher Unterhaltung auf: Ein junger Mitbürger, der am UN-Einsatz im Kongo teilgenommen hatte, feierte die Rückkehr in seine Heimat und hatte glatt das ganze Dorf eingeladen. Touris included. Nach vielen Ehrungen und noch mehr Chicha (Maisbier) legte die extra eingeflogene Band aus Argentinien los und Lea schwang das Tanzbein. Letzteres drohte mir abzu

Ein altes Geburtstagskind in Feierlaune

Alle Jahre wieder fiebert jeder Einzelne von uns auf einen Tag hin, einen ganz bestimmten, einen von 365, an dem wir uns selbst mal so richtig feiern dürfen. So putzte sich auch Comarapa, wenn auch schon ein paar Krautherbste älter als die meisten von uns, zu seinem 401. Geburtstag heraus. Tage vorher zogen wir schon mit den Kindern und einer großen Plastiktüte durch die Straßen rund um die Plaza, um sie von Müll zu befreien. Unermüdlich marschierten wir im Garten des Kindergartens im Kreis, um für die große Parade zu üben. Am Freitag, dem Vorabend des Jubiläums, zogen Scharen von comarapenos und „Auswärtigen“ durch die Straße vor dem Coliseo. Die Zuständigen hatten nicht geknausert und eine richtige kleine Kirmes aufgefahren: ein klappriges Riesenrad ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen, eine klapprige Raupe, die ratternd einen Kreis von drei Metern Durchmesser abfuhr, diverse Glücksspiele mit verschwindend geringer Gewinnwahrscheinlichkeit und eine ganze Latte Tischkicker. Sucumb

Bewegung in meinem verschnarchten Leben

Mit der Mutter ist das ja so eine Sache - kommt man auf die Welt, haengt man buchstaeblich an ihr dran. Mit beginnender Pubertaet mausert sie sich langsam zur Reinkarnation der Nervensaege und Besserwisserin. Ist man aus der kritischen Phase heraus, schaetzt man genau diese Fuersorglichkeit und die "oh-mann-wie-ueberfluessigen" Ratschlaege wieder. Als meine Mutter nebenbei anmerkte, mein Zimmer sei nicht wirklich eine Oase der Reinlichkeit, traf mich das mehr, als es das noch vor ein paar Jahren getan haette. Caporales- ein Folklore-Tanz, bei dem die Maenner Glocken an den Stiefeln tragen Monatelang hatte ich mich gefreut, und schliesslich stand sie leibhaftig und schwer bepackt vor mir. Ja, ich gebe es zu, die von ihr mitgebrachte Schokolade mag einen kleinen Teil meiner Wiedersehensfreude ausgemacht haben ;) Nach zwei Wochen Sightseeing in Bolivien schleifte ich mein Muttertier in mein zur Heimat gewordenes Kleinoed, ging mit ihr Pique Macho alias den Fleischberg des

Frisch, fromm, froehlich

Geschenkkoerbchen fuer die Madels - prall gefuellt mit Suessigkeiten Was gibt es in Bolivien im Überschuss? Nein, ich spreche nicht von Hühnchen, sondern von kleinen Zweibeinern mit Überschuss an Lebensenergie- den Kindern. Wie so ziemlich alles hier, müssen die auch mal so richtig gefeiert werden. Am 12. April, dem Tag des Kindes, putzten sich die Zwerge also raus, um im Kindergarten mal so richtig die Sau rauszulassen. Auf dem Sportplatz wurde Laufsteg gelaufen, um die Wette gerannt, ausgelassen getanzt und gespielt.  Was macht den Tag für ein Kind perfekt? Genau – Zucker! Den gab es kiloweise: Als Erfrischungsgetränk, Erdbeerjogurt, Kakaomilch, Sahnetorte und in als Süßigkeiten in den selbst gebastelten Geschenkkörbchen. Als die Kinder – das Gefühlsspektrum reichte von glücklich bis Erbrechen nach einer Überdosis Zucker- abgeholt wurden, schnaufte das Personal erstmal auf. Die vorherigen Tage hatten wir Körbchen gebastelt, Torte gebacken, dekoriert und nicht zuletzt etwa 2

Ab in die Steinzeit

Auf Vieles kann der Mensch verzichten. Auf ein Auto, ein Fernseher, ein großer Teil der Menschheit auch auf Fellstiefeletten von Gucci, einige mir rätselhafte Wesen auf Süßigkeiten. Wenn aber Ressourcen, auf die der Mensch zur Bewältigung seines Alltags angewiesen ist, ausfallen – wie Wasser und Strom- ausfallen, gerate ich an die Grenzen meiner Sammlung an Überlebenstricks. Wie fändet ihr es, mit Stirnlampe auf dem fettigen Haupthaar eine Toilette zu besuchen, auf die die Bezeichnung Kloake deutlich besser passen würde? Dieses bittere Schicksal ereilte Anton und mich Ende März und gab uns Gelegenheit, kritisch über unseren Wasserverbrauch und unsere Handynutzung zu reflektieren. Oder besser gesagt: ein wenig zu verzweifeln. Eines Dienstagabends fiel plötzlich der Strom im ganzen Dorf – korrigiere, liebe comarapenos, in der ganzen Stadt- aus und wir hockten mit meinen an Minenarbeiter erinnernden Stirnlampen im Dunkeln. Anfangs mag das ja noch ganz lustig sein, man regt sich k

Trips mit Turbulenzen (Teil 1)

Wir stecken im Dschungel fest. Wortwörtlich. Während der Busfahrer verzweifelte Versuche wagt, die Räder seines Gefährts aus dem Schlamm zu manövrieren, schaue ich aus dem Fenster und sehe ein paar verfallene Lehmhütten inmitten von Grün. Grasgrün, Palmengrün, saftiges Blattgrün- so gern ich meine Lieblingsfarbe in all ihren Abstufungen habe, wäre ich jetzt über ein bisschen braun-graue Zivilisation ganz erquickt. Dass die Fahrt eine lange werden würde, hatte man uns kurz vor der Abfahrt mit der Aufforderung, den doppelten Preis zu blechen, mitgeteilt. Der Grund: Straßensperren auf der Strecke von Sucre nach Santa Cruz, die einen dreistündigen Umweg nötig machten. Nach La Palizada, von wo wir nach Comarapa durchstarten wollten, kamen wir gar nicht erst. Aha. Uns fielen die gesonnenbrandeten Bleichgesichter herunter. Wat?! Uns extra den normal schon 13-stündigen Weg nach Santa Cruz schieben, um von dort noch mal sechs Stunden nach Windenhausen zurückzugurken? Nach kurzer Ratlosigke

Ganz schoen gesalzen (Teil 2)

Irgendwann wurde das Durchschnittsalter der Club-Besucher zu hoch und unsere Augenlider schwer. Tja, die Feierei will gelernt und geübt werden. Aus Mangel an entsprechenden Lokalitäten an den Tagen davor war nicht viel mit Trunk und Tanz gewesen. Achtung, Hier baue ich unauffällig eine Überleitung der eher auffälligen Art zu unserem Trip um Uyuni ein. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis in Uyunis Salzwüste eine Diskothek aufmacht, wenn man die Ströme an Touristen betrachtet.  Durch besagte Wüste bretterten wir am ersten Tag unserer dreitätigen Jeepfahrt durch die schönsten Landschaften des bolivianischen Westens. Los ging’s in Uyuni, dem Touristennest schechthin, wo man ganz europäisch Ravioli (!) mampfen und nebenbei Dubstep (!!) hören kann. In der Reiseagentur, die den Trip organisierte, lernten wir unsere Mitfahrer, ein holländisches und ein brasilianisches Pärchen kennen und einigten uns auf Englisch als Kommunikationsmittel. Was dem bolivianischen Fahrer und

Potosi- eine kalte Schoenheit (Teil 3)

Habe ich mal erwähnt, dass ich den deutschen Winter mit seinem Schnee vermisse? Es ist immer einfach, über Kälte zu reden – wenn sie einem dann live unter die Klamotten kriecht, findet man das nicht mehr ganz so cool. Bolivien kann nicht nur Dschungel und Hitze, sondern erfreut sich der höchstgelegenen Stadt der Welt. Als wir am zweiten Tag unserer Reise in Potosí ankamen, spürte ich schon, wie meine Nase langsam rot wurde – von der Kälte und der Sonne. Na ja, auch in Comarapa laufe ich dank meiner nicht vorhandenen Sonnenschutzmaßnahmen rum wie Rudolph, das rotnasige Rentier. Nachdem wir ein gemütliches Hostel gefunden hatten, latschten wir durchs Zentrum und verköstigten uns an den unzähligen, süßen und unwiderstehlichen Gebäcken, die an jeder Straßenecke vertickt werden. Da ich sowieso mit Diabetes nach Vollkornbrot-Deutschland zurückkehren werde, machten ein paar Kekse mehr oder weniger auch keinen Unterschied mehr, oder? Um die Völlerei zu komplettieren und weil Isi unbedingt L

Alles easy (Teil 4)

Die Recoleta im Nieselregen Ist es nicht immer so, dass man reisen geht, voller Vorfreude was einen erwartet – und dann buchstäblich im Regen steht? So ging es Isi und mir am ersten Tag unserer Reise. Nach einer durchpennten Fahrt von Comarapa kamen wir im Morgengrauen des 13. Märzes in einem bewölkten, benieselten Sucre an und setzten uns erstmal in das einzige zu dieser unmenschlichen Zeit geöffnete Cafe.  Als die Stadt langsam aufwachte, beschlossen wir, wir könnten jetzt die WG meines Mitfreiwilligen Lorenz stürmen und  die Leute aus ihren Betten schmeißen. Nein Spaß, eigentlich wollten wir nur unsere monströsen Rucksäcke abstellen. Bis wir uns allerdings durch den Markt gequetscht und bis zum Viertel der WG vorgedrungen waren, war es schon zwölf und Lorenz begrüßte uns zumindest halb wach.  Er empfahl uns als Ausflugsziel ein Dorf in der Nähe mit einem tollen Markt und so saßen wir wenig später im Truffi nach- Überraschung- Tarabuco. Ja, in diesem netten Nest schauten wir

Comarapa, Cochabamba und Co.

Evo oder Nicht Evo? Das ist nun die Frage. Scheint die Comarapenos aber nicht so zu jucken, oder jedenfalls nicht so sehr, dass sie von Ihrer Lieblingsbeschäftigung ablassen würden: dem Tratsch. Es wird nach Herzenslust beobachtet, analysiert (objektiv? Was ist das? Hat das nicht was mit Fotokameras zu tun?), ergänzt, verdreht und erfunden. Das Endprodukt dieses munteren Geschichten-Herbei-Fantasierens hat meist einen Wahrheitsgehalt der unter dem Fettanteil von fettreduzierter Milch liegt. Nicht umsonst existiert der Ausspruch „pueblo chico – infierno grande“ (kleines Dorf, große Hölle). Glücklicherweise lassen sich die Kinder von dem über uns erzählten Mist nicht beeinflussen. Letzte Woche wollte ich gerade ein paar Runden im Stadion drehen, sprachen mich ein paar halb- (oder wie sich später herausstellte, doch eher voll-) starke Jungs an, und- schwupps- hatte ich ein paar Mitläufer. Die Steppkes aus dem Internat zischten Runde für Runde mit breitem Grinsen an mir vorbei. Ri