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Kinderleicht, oder?

„Und, was machst du so nach dem Abi?“
„Och, mich über Kinder aufregen und alte Leute nicht verstehen.“

So oder so ähnlich würde ich jetzt vielleicht antworten mit dem Anhängsel, dass das alles aber unheimlich Spaß machen kann.  Kann.
Da mich die anderen Lehrerinnen wohl nicht haben wollten, widmete ich mich die vergangenen Wochen vormittags größtenteils dem Zoo von Profe Maggy, der sich durch außerordentliche Arbeitsträgheit auszeichnet. Um diesen Haufen Energiebündel in den Griff zu bekommen, musste ich meine mit Kindererziehung nicht sehr bewanderte Kreativität spielen lassen, um mein zartes Stimmchen nicht erfolglos heiser zu schreien. Bei den Mädels klappte es ganz gut, ihnen in verschnörkelter Schrift in Prinzessinnen-Pink ihren Namen ins Aufgabenheft zu malen. Wie immer, ist das bei den Herren der Schöpfung nicht ganz so leicht. Nach einigen Drohungen – Pausenentzug, Petze bei Mami – versuchte ich es mit dem „Stuhl des Nachdenkens“. Auf diesen setzte ich die kleinen Rotzlöffel, etwas entfernt von den anderen Kindern, und siehe da: Der Kasper blieb sitzen! Nicht ohne beleidigten Schmoll-Blick. Nach ein paar Minuten kann man das fragliche Objekt dann wieder auf die Gesellschaft loslassen. 

Wenn ich das so schildere, klingt das fast, als wäre ich der Zwergen-Diktator. Im Vergleich zu den Lehrerinnen, die sich auch mal Trillerpfeife oder eine Kopfnuss zur Hilfe nehmen, ist das aber vielleicht noch im Rahmen. Oder? Was denkt ihr?
Fast so oft wie prügelnde, auf dem Boden rumrollende und Filzstifte lutschende Bälger gibt es aber auch die Momente, in denen man wieder weiß, warum man das macht. Wenn die Kinder mal ein Spiel MITMACHEN, sich über einen von mir gezeichneten Elefanten auf ihrer Maltafel freuen oder mir Fragen stellen wie: Warum hast du Punkte auf der Haut? Wo wohnst du? Was ist das da an deiner Augenbraue? Auch, wenn sie mir etwas von ihrer Familie oder ihren Spielzeugen erzählen, oder mir beim Aufräumen helfen- da lächelt man unwillkürlich. 
Viele der Kinder gehen nächstes Jahr zur Schule. Deshalb wurden letzte Woche Fotos gemacht- stilecht in der Montagsuniform. Die Jungs tragen eine dunkelblaue Hose und ein hellblaues Hemd, die Mädels ein hellblaues Kleid mit weißer Blase. Wenn sie jeden Montag so die Nationalhymne singend die bolivianische Flagge grüßen, gibt as schon ein sehr süßes Bild ab. Wenn sie sich in der Pause mit ihren weißen Strumpfhosen in der Wiese wälzen, auch – nur eben auf andere Art. Wir haben mit dem Basteln der Schultüten angefangen und üben Lieder für den Gottesdienst, mit dem das Ende der Kindergartenzeit zelebriert wird.
Zwischendurch muss auch mal ein Kind getröstet werden. Eines konnte nicht mehr mit dem Weinen aufhören, weil es sich Suppe über sein Kleid geleert und nun Angst vor Bestrafung durch seine Mutter hatte. Ein anderes verzweifelte, weil es nicht wusste, wie man sich die Zähne putzt, und dann natürlich das uns allen bekannte laute Aufheulen nach dem Hinfallen. Das nimmt mich manchmal selbst ein bisschen mit.
Noch eine kleine Anekdote zum Schluss: Letzten Mittwoch saß ich mit Anton während der Pause auf einer Bank, als sich ein Kind zu mir setzte. Es setzte gerade an, mir einen Schwank aus seinem Leben zu erzählen, als plötzlich die Bank zusammenkrachte und wir beide auf dem Boden saßen. Das Kind zuckte nur die Schultern, als ob das das Normalste von der Welt wäre, und rannte weg, während ich mich nicht mehr einkriegte vor Lachen. Wir waren wohl einfach nicht mehr tragbar ;)


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