Direkt zum Hauptbereich

Posts

Wie ich es haben will und wie es ist

In meiner Idealvorstellung bin ich ein unabhängiger, freier Mensch, der nichts und niemanden zu seinem Glück braucht. In der Realität scheitere ich nicht nur daran, mein Fahrrad selbst zu reparieren, sondern bin auch fundamental auf die Zuneigung und Aufmerksamkeit Anderer angewiesen. Machen wir uns nichts vor: Das sind wir alle (wenn auch zu variierendem Ausmaß).  Eine Menge Kummer würde ich mir ersparen, wenn ich so unabhängig wäre, meinen Weg allein bestreiten würde und damit im Reinen wäre. Aber das bin ich nicht. An Tagen, an denen ich bis zum Abend mit keinem geredet habe (das kommt durchaus vor) fühle ich mich irgendwie schief, im Ungleichgewicht, und befürchte, meine sozialen Fertigkeiten zu verlieren. Ein Computer eröffnet zwar einen Zugang zur Welt, aber er lächelt nicht.  Verhalten Menschen sich dann unvorhersehbar oder reagieren nicht so, wie ich es gerne hätte, bin ich schnell frustriert und wünsche mir, nicht auf ihre Verlässlichkeit und ihr Wohlwollen angewiesen...
Letzte Posts

Wünsche äußern

"Möchtest du einen Kaffee?" - "Ja, sehr gerne, danke. Woher wusstest du das?"  So hätte ich es gerne. Jemand anders liest mir meine Wünsche von den Augen ab. Danach fragen oder gar bitten muss ich nicht. Das wäre zwar bequem, aber auch feige. Wieso frage ich nicht einfach selbst nach dem, was ich will?  Weil ich nicht gierig scheinen will. Das geht zum Teil so weit, dass ich mir nicht mal selbst eingestehen möchte, dass ich einen Wunsch oder ein Verlangen nach etwas habe. Denn der Wunsch kann mir ja abgeschlagen werden. Sehr her, ich bin Mutter Teresa, ich brauche nichts als ein bisschen Luft zum Atmen.  Ich aber möchte sehr gerne und sehr viel und die Wahrscheinlichkeit, es zu bekommen, ist deutlich höher, wenn ich danach frage. Oder es einfordere, wenn es mir zusteht, aber nicht gegeben wird. Wir alle brauchen oder wollen etwas: Kaffee, Schlaf (eher in umgekehrter Reihenfolge), Platz im Bus, eine Tüte Äpfel, Hilfe bei der Fahrradreparatur und eine Rente. Kommen di...

Qualifikationen

 Kann ich was und wenn ja, kann man das verwerten? Diese Frage sollte ich mir eigentlich nicht stellen, denn der Wert eines Menschen bemisst sich nicht daran, was er kann oder tut. Sondern dass er ist , dass er denkt, liebt, glaubt. Wo kommen wir denn hin, wenn wir erst etwas leisten müssen, um existieren zu dürfen? Richtig - in den Neoliberalismus.  Doch ich sitze hier und schau auf meine (je nach Definition 5 oder 8 Jahre) Ausbildung zurück und frage mich, ob mir da etwas beigebracht wurde und wenn ja, was und wo das geblieben ist. Ich habe einen Abschluss, aber bekanntlich stehen Zertifikate nicht für Fertigkeiten. Wenn ich in meinem Lebenslauf Kenntnisse auflisten soll, was schreibe ich? Grundlegende Microsoft-Office-Kenntnisse (was schon halb gelogen ist, Excel treibt mir jedes Mal wieder den Schweiß auf die Stirn)? Deutsch Muttersprache? Morgens Aufstehen (ebenfalls halb gelogen, vor 7 passiert nüscht)? Dass heutzutage Selbstvermarktung eine essentielle Fähigkeit ist, i...

Darf ich...?

 Wer sagt, was ich nicht fragen darf? Wer zensiert meine Meinung und bringt mich zum Schweigen? Das Patriarchat, okay, aber damit würde ich es mir etwas zu einfach machen. Selten hat mir jemand ins Gesicht gesagt, dass, was ich sage, dumm war oder ich kein Recht habe, überhaupt zu sprechen. Dennoch tue ich es nicht. Warum?  Da sind Gebote in mir, die sind absoluter als jeder Gesetzestext. Ungeschrieben Normen und Regeln, die Schrecken einjagen, wenn ich auch nur mit dem Gedanken spiele, sie zu übertreten. Ciao Leben. Was genau passieren würde, das kann ich nicht beschreiben, aber es würde sicher eine Schmach bedeuten. Nun bin ich 30 Jahre alt und trage noch immer Gebote aus Teenagerzeiten mit mir rum und, schlimmer noch, halte mich an sie. Weil ich sie für gültig befinde.  Sei nett zu anderen und hart zu dir selbst.   Widersprich nicht.  Gib anderen stets ein gutes Gefühl.  Hör ihnen zu.  Sei unkompliziert.  Kauf nur so viel, wie du brauchst....

Sommer

Wer bist du, wenn keiner hinschaut?  Trauen wir uns nicht, wir selbst zu sein? Was hält uns davon ab? Die Furcht vor der Verurteilung oder Ablehnung der anderen. Das Bangen, wenn wir uns verletzlich zeigen, verletzt zu werden, und zwar für das, was wir sind - und nicht das, was die angepasste Version unserer selbst vorgibt zu sein. "Ich mag dich nicht" ist schwerer zu verdauen als "Ich mag dein dominantes Verhalten in Gruppen nicht".  Oft verstehen wir aber das Erste, wenn eigentlich das Zweite gemeint ist. Jemand mag nicht, wie du kaust? Das ist in Ordnung. Ihr müsst nicht zusammen essen. Oder du bemühst dich, leiser zu kauen (was, zugegeben, nicht so einfach ist). Selten(er, als wir denken) lehnt uns jemand als ganze Person ab. Wenn, tut es besonders weh. Sagt aber eigentlich nichts über uns aus. Nur, dass diese eine Person uns eben nicht mag. Was wahrscheinlich genauso viel mit ihr zu tun hat wie mit uns. Verklickere das aber mal meinem Selbstvertrauen.  Da gerad...

Sollte ich nicht ....?

Es ist Freitag und mich bedrängt wieder der Freizeitstress. Das Sollte und Könnte. Die Imperative, die mir einreden, es sei nicht genug, einen ruhigen Abend daheim oder in der Natur zu verbringen, sondern ein gelungener Freitagabend sei nur der, der unter Leuten und mit Ereignissen verbracht werde. Unterjoche ich mich also dem Erlebniszwang und zwinge mich, rauszugehen? Eine Veranstaltung zu besuchen oder zumindest im Stadtzentrum zu wandeln? Oder lege ich die Füße hoch, habe die Knabbereien meiner Wahl neben mir stehen und versinke in den Untiefen des Internets? Was ist Routine und was tut mir gut? Was weitet meinen Horizont und was ist bloßer Zwang zur Konformität? Könnte man das nur immer so genau bestimmen...  Ist Alleine Sein nichts wert?  Während ich mich früher wertlos fühlte, wenn ich am Wochenende keine Verabredung hatte, kann ich mittlerweile meist gut alleine sein. Die Selbstzweifel nagen trotzdem manchmal an mir. Vor allem dann, wenn alle Anderen gerade (vermeintli...

Werde ich seltsam?

Die meisten Momente in meinem Leben verbringe ich allein. Ich arbeite, wandere, schlafe und scrolle (überwiegend) allein. Das finde ich auch gut so. Nur manchmal flüstert eine leise fiese Stimme: "Ist das normal?" Es mag mein heteronormatives Weltbild sein, Angst vor Einsamkeit (im Alter) oder eine gesunde Prise Selbstkritik - diese Stimme kann mir ganz schön zusetzen. Worte wie "Eigenbrötler", "Katzenlady", "Weirdo" oder "Dauersingle" schieben sich in mein Bewusstsein. Werde ich komisch, wenn ich zu viel Zeit alleine verbringe? Eigne ich mir nach und nach seltsame Verhaltensweisen an, ohne es zu merken? Werde ich zu dieser Person, die von anderen mit Befremden mit einem gehörigen Sicherheitsabstant beäugt wird? Über die Mütter zu ihren Kindern sagen "nee, mit der spielen wir nicht" oder "Schatz, ich weiß auch nicht, was mit ihr los ist"? Aua.  So gern ich allein bin (es kann gar süchtig machen), fürchte ich doch die...