Manchmal scheint es, als geschehe das Leben uns und wir seien dem hilflos ausgeliefert. Das stimmt manchmal. Mindestens ebenso oft stimmt es aber nicht, und wir sehen nur nicht, was wir tun können. Zugegeben: Unsere Handlungsmöglichkeiten sind oft begrenzt. Wir können andere nicht verändern, das Wetter nicht und unsere eigene Gesundheit auch nur zu einem kleinen Teil. Aber tun können wir meist etwas. Zumindest kurzfristig, damit sich die Misere besser aushalten lässt.
Ein Beispiel: Wenn ich unter der langen Dunkelheit leide, kann ich mir Kerzen anmachen. Die geben kein Vitamin D, aber Helligkeit.
Wenn ich mich ärgere, dass jemand meine Nachrichten nicht beantwortet, kann ich a) die Person anrufen, b) ihr meine Erwartung und meinen daraus resultierenden Unmut mitteilen oder c) (versuchen) keine Erwartungen mehr an die Person (zu) haben. Das löst das Problem nicht, aber das liegt nunmal nicht in meiner Hand.
Oft sehe ich die Handlungsspielräume, die ich habe, nicht. Oft sind sie kleiner als das, was ich mir erhoffe. Es ist schwieriger, sein ganzes Leben von Heute auf Morgen umzukrempeln als eine halbe Stunde mehr zu schlafen oder eine halbe Stunde Spazieren zu gehen.
Das soll nicht als Relativieren verstanden werden - strukturelle Probleme erfordern strukturelle Lösungen. Aber die sind eben oft nicht kurzfristig und oft nicht (nur) von uns selbst herbeizuführen. Die Wut Rausschreien, eine deutliche E-Mail formulieren oder nach anderen Arbeitsstellen Ausschau halten können wir dagegen schon.
Was dabei nötig ist: Zu unterscheiden, was unsere Energie wert ist und wo wir sie eher verschwenden. Nazis Boxen hat noch keinem Migranten geholfen. Antifa-Rock zu hören und zu demonstrieren gibt ein Ventil für die Wut. Ehrenamt kann konkret was bewirken. Ja, das ist ein großer Schritt, nein, der ist nicht für jede:n eine Möglichkeit. Das ist auch in Ordnung. Nur muss niemand die Wut runterschlucken. Es gibt immer was zu tun.
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