In meiner Idealvorstellung bin ich ein unabhängiger, freier Mensch, der nichts und niemanden zu seinem Glück braucht. In der Realität scheitere ich nicht nur daran, mein Fahrrad selbst zu reparieren, sondern bin auch fundamental auf die Zuneigung und Aufmerksamkeit Anderer angewiesen. Machen wir uns nichts vor: Das sind wir alle (wenn auch zu variierendem Ausmaß).
Eine Menge Kummer würde ich mir ersparen, wenn ich so unabhängig wäre, meinen Weg allein bestreiten würde und damit im Reinen wäre. Aber das bin ich nicht. An Tagen, an denen ich bis zum Abend mit keinem geredet habe (das kommt durchaus vor) fühle ich mich irgendwie schief, im Ungleichgewicht, und befürchte, meine sozialen Fertigkeiten zu verlieren. Ein Computer eröffnet zwar einen Zugang zur Welt, aber er lächelt nicht.
Verhalten Menschen sich dann unvorhersehbar oder reagieren nicht so, wie ich es gerne hätte, bin ich schnell frustriert und wünsche mir, nicht auf ihre Verlässlichkeit und ihr Wohlwollen angewiesen zu sein. So funktioniert das aber nicht. Ein Tag in der Eremitage und ich bin sozial ausgehungert. Um diesen Hunger zu stillen, brauche ich Verbindung, und die aufzusuchen und manchmal auch einzufordern - puh ey, das erfordert Mut (jedenfalls für mich). Ich komme mir vor, als ob ich um eine Hüpfburg zu Weihnnachten bitte. Dabei frage ich doch nur nach Verbindung. Uff.
Aber ich gebe damit eben zu, dass ich es nicht alleine schaffe und auch gar nicht schaffen will. Denn manches ist netter zu zweit (nicht alles - Aufstehen ist schon allein Hürde genug). Von Anderen kann ich lernen. Ich kann ihnen zuschauen und registrieren, dass 1. es andere Wege gibt, die Dinge zu tun, außer meinem, und 2. dass es oftmals kein Richtig und Falsch gibt, sondern nur ein Anders.
Wenn ich das Glück habe, friedfertige, tolerante und offene Menschen um mich herum zu haben, muss ich nichts fürchten, und wenn ich die nicht habe, dann sollte ich sie suchen. Schließlich stelle ich meist, wenn ich Menschen treffe, fest: Die Menschheit ist nicht so böse, wie das Internet uns glauben macht.

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