Direkt zum Hauptbereich

Schief und löchrig

Ich scheitere. Jeden Tag. Mehrmals. An meinen Ansprüchen und an denen anderer. 
Ich verkacke es. Mit vorhersagbarer Regelmäßigkeit. Ohne, dass ich das will. 
Trotzdem passiert es und dann bleibt mir nicht mehr, als Verantwortung dafür zu übernehmen. Das Scheitern ist nicht auf einen Bereich beschränkt, ich hau überall mal daneben: 
Verschmutze die Küche. Fahre falsch herum die Einbahnstraße herab. Trinke zu viel Kaffee. Bin grantig zu Leuten, die ich mag, weil mir irgendwas quersitzt. Ziehe die falschen Schuhe an und bekomme nasse Füße. Schiebe unangenehme Aufgaben vor mir her, verdränge sie oder mache sie einfach - nie. Komm morgens nicht aus dem Bett und abends nicht früh genug hinein. Stinke. Vergesse historische und politische Ereignisse in dem Moment, in dem ich von ihnen gehört habe. Esse zu viele unreife Äpfel. Hänge zu viel am Handy. Vermeide jedoch Telefonate. Bin zu faul und unkreativ, mir neue Spazierwege zu überlegen. Kaufe das billigste anstatt dem ethisch und ökologisch vertretbareren Produkt. Fange Aufgaben an und bringe sie nicht zu Ende. Habe schlechte Laune, ganz ohne Grund. 

Ich bin eine Mimose und es fühlt sich so gut an, das hier rein zu schreiben, für jede:n offen lesbar. Ich bin nicht stark, ausdauernd, kein Christopher McCandless ("Into the Wild"), keine Überlebenskünstlerin, keine Outdoor-Frau, kein Springinsfeld. Ich mag es trocken, warm und bequem. Denke nicht so gern um die Ecke und scheue vor komplizierten mechanischen und technischen Sachverhalten. Bin zu faul, einen Platten zu reparieren (und das als Feministin), meine Klamotten sauber zu halten und ein anständiges Essen zu kochen, was nicht ein wahlloses Durcheinanderwerfen von Zutaten ist, die sich noch nie begegnet sind und eigentlich auch gehofft hatten, das nie zu müssen. Wenn ich schlecht geschlafen habe, bin ich ein Monstrum. Argumentationen und Diskussionen weiche ich aus, um meine Rente kümmere ich mich konsequent nicht und Pläne für die Zukunft habe ich schon gar nicht. 

Kurzum: Ich bin alles, was ein verantwortungsvoller Erwachsener nicht ist. Aber ich lebe. Es scheint also auch anders zu gehen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mal wieder was Rührseliges, jetzt, wo die Tage wieder grauer werden, nach einem bombastischen Sommer. Wofür bist Du dankbar? Das ist bei den meisten von uns nicht das, worauf unser Fokus liegt (ein paar Sonnenscheinchen und Frohnaturen ausgenommen, die wahrscheinlich eine sehr gesunde Psyche und Gedankenwelt haben). Umso mehr möchte ich es mir aktiv ins Denken holen. Es gibt immer irgendetwas, das nicht klappt, das unzufrieden macht. Jede:r von uns hat Defizite. Aber die sollten nicht unsere volle Aufmerksamkeit bekommen.  Wofür ich selbst dankbar bin: - ein langer, heißer Sommer voller Sonne - süß-saure, gelb-rote Falläpfel - tiefstehendes Licht am Spätnachmittag - die Ruhe nach einem wuseligen Tag - meine Großeltern noch zu haben - weite Sweatshirts aus dicker Baumwolle - Kontakt zu Freund:innen - wo auch immer sie sind - Kissen - Zimmerpflanzen - Kohlrabi  - Funk & Fernsehen - Abendstunden in meinem Sessel - mein Handy Ich könnte die Liste noch eine Klopapierrolle lang weiterfüh
Wohin sind die Tage, an denen es scheinbar unendliche Mengen an Mate und Zeit gab?  Wohin die Abende, an denen es egal war, wann oder ob wir ins Bett gehen?  Wo sind die spontanen Bäder im Fluss am späten Nachmittag und das Versumpfen in einem packenden Gespräch?  Unbemerkt sind sie gegangen. Ihr Fehlen fällt erst jetzt auf.  Here we go, Erwachsensein.
Wann hat das eigentlich angefangen, dass sich keine:r mehr festlegen will? Alle Optionen, Menschen und Beziehungen ganz offen ? Reicht eine Person nicht oder wollen sie alles haben oder die Möglichkeit (und das damit einhergehende Gefühl), alles haben zu können?  In mein Herz und meinen Kopf passt für eine tiefe Beziehung zueinander (und wieso sollte ich etwas darunter wollen?) maximal eine Person.  Wieso sollte ich eine beliebige Aktivität mit jemand anderem teilen wollen, wenn ich sicher weiß, dass ich sie ganz wunderbar mit dieser einen bestimmten Person teilen kann? Dass wir gut beim Reden, Wandern, Rumalbern oder im Dunklen, Kalten grummelig zusammen nach Hause Stapfen harmonieren?  Ich habe ja, außer wenn ich muss, auch nicht freiwillig mehr als eine Arbeitsstelle, Handynummer, mehr als ein Bett,  oder feiere meinen Geburtstag mehr als einmal. Weil die schönsten Dinge (okay, diese Argumentation greift bei der Arbeitsstelle nicht so ganz) eben nur im Original schön sind. Weswegen