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Was wäre, wenn...

Angesichts des gräulichen Einheitssiffs, der sich beim Blick aus dem Fenster bietet, mache ich mal einen kurzen gedanklichen Abschweif. Wollt Ihr auch? 




Wie ist es, das gute Leben? Oder wie wäre es?

Was tue ich, wenn ich aufstehe? 

Was sortiere ich aus, was behalte ich bei, und wen

Es wäre erfüllt. Aber von was? 
Nicht unbedingt von Spaß, aber von einer Aufeinanderfolge froher, trauriger, überraschender, ruhiger und genussvoller Momente. Vom Zusammensein mit Menschen, die mir wichtig sind, und nicht solchen, die "nützlich" sind für einen Fortschritt in meinem Leben. 
Fehler würden gemacht, daraus gelernt und sie wieder gemacht. Doch statt mich dafür zu verurteilen würde ich drüber lachen. Für jeden Patzer und jeden eingeschlagenen Irrweg ein Bier. 

Drin bleibt Musik, aber weniger Radio. Drin bleiben grüne Wiesen und Fleecedecken. Raus fliegt Zahnseide, Kleidergrößen und Shopping. 
Ich würde meine Nachbarn kennen und es wäre mir genug, im Sommer an einem Bach zu sitzen und Löcher in die Luft zu starren oder vorbeitreibende Stöcke zu zählen. Okay, das ist vielleicht eine Illusion. Auch in einem guten Leben wäre ich nicht Buddha. 
Aber vielleicht dick. Weil es egal wäre, wie ich aussehe. Anderen und vor allem mir. 

In einem guten Leben würden wir uns die Wahrheit sagen, meine Umstehenden und ich. Ohne uns vorsätzlich zu verletzen. Ehrlich wäre ich auch mit mir selbst. Ich täte nicht, als wäre ich etwas, was ich nicht bin. Immer gut drauf zum Beispiel. Oder rational oder klug. Weil es darauf nicht ankommt. Am Ende des Lebens steht kein IQ-Test. 

Ich würde mich trauen, mich vorsichtig ans Klavier zu setzen und nicht enttäuscht zu sein, wenn ich nochmal bei 0 anfangen muss und am Ende, nun ja, eben nur Yann Tiersen spielen könnte. Gleich würde ich mit einem Tanzkurs vorgehen. Ich muss nicht toll Salsa tanzen können, um Spaß daran zu haben.

Ich würde den Menschen, die mir wichtig sind, dies auch mitteilen. Damit sie wissen, was sie wert sind. 
Ich hätte den Kopf frei für alles Mögliche und Denkpause, weil ich nicht ständig grübeln und mich hinterfragen müsste. 
Ich läge im Bett, bis zwölf, ohne einen Funken schlechtes Gewissen. 
Ich würde mehr "Danke" sagen und mich weniger beschweren. 

Ich würde selbst Brezeln backen ohne Angst, vom Teignaschen so sehr aufzugehen wie das Gebäck im Ofen. 

Ich würde mich einsetzen für etwas, was mir wichtig ist. Geflüchtete, Frauenrechte, Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten. 

Die Frage ist: Was hält mich davon ab? 



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