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Lass laufen

Diszipliniert zu sein, dachte ich immer, ist zwar der Schlüssel zum Erfolg, aber auch verdammt schwer. Allein schon mich morgens vor neun aus dem Bett zu bekommen fühlt sich manchmal an wie eine Herkulesaufgabe.
Kniffliger aber finde ich, loszulassen. Den Dingen ihren Lauf und sich selbst darauf einzulassen. Die Kontrolle abzugeben, einfach mal laufen zu lassen. Im Vertrauen, dass das Universum schon weiß, was es da tut. Oder eine solvente Unfallversicherung hat. 
Warum? Weil der Mensch und vor allem ich ein großes Bedürfnis nach Kontrolle hat. Danach, die Dinge zu verstehen und in der Hand zu haben. Alles so zu machen, dass die Wahrscheinlichkeit für Erfolg oder Gelingen oder auch nur reibungsloses Funktionieren möglichst hoch ist. Also: Alles so zu machen wie immer. An dieser Stelle grüßt der CDUler in mir (der muss ja auch mal raus). 

Was nu? Hinnehmen. Mit den Schultern zucken. Oder einfach mal ausprobieren, das Rollen Lassen. Wer wie ich schon beim Gedanken daran Magenflattern bekommt, fängt besser mit dem Einsteigermodell ein. Zum Beispiel mal ein anderes Brötchen zu kaufen oder einen anderen Podcast zu hören. Ja, auch mir wirds schon flau bei dem Gedanken, mein geliebtes "Was jetzt?" am Morgen gegen Musik oder gar Stille einzutauschen. Aber vielleicht steckt ja auch gerade darin die Chance, mich mal aus meinem Einheitsbrei rauszuhieven und vielleicht, vielleicht was spannendes Neues zu entdecken (wovon dann BLOß nicht mehr abgewichen wird). Oder im blödsten Fall am nächsten Morgen umso dankbarer zu sein, wieder zum altgedienten, gewohnten, gemütlichen, vertrauten Nachrichtenpodcast (dessen Inhalt ich meist schon unmittelbar danach nicht mehr wiedergeben kann, so aufmerksam höre ich zu), mir Kaffee aus der immer gleichen hellrosa Halblitertasse einzuflößen und meinen faulen Hirnzellen die Mühe zu ersparen, in neuen Bahnen denken zu müssen. Hach, ist das schön, dass manches bleibt, wie es ist. 
Trotzdem: Es ist noch keiner vom Pferd gefallen, weil er mal kurz die Zügel losgelassen hat. Behaupte ich jetzt einfach mal. Mache die Augen zu und lasse es geschehen. Trotz Herzklopfen und Horrorszenarien in meinem Kopf. Entgegen meiner Zwanghaftigkeit. Für den Reiz des Unbekannten. 

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