Direkt zum Hauptbereich

Im Sumpf

Viele von Euch kennen das, in der ein oder anderen Ausprägung, in stärkerem oder schwächerem Ausmaß: In den Seilen hängen. Im Loch hocken. Durchgelatscht sein.
Während viele Depression immer noch mit Traurigkeit und Weinen assoziieren, macht sie sich bei mir eher durch Leere bemerkbar. Oder eben nicht. Sie fällt einem nicht auf wie ein Ausschlag, der plötzlich auftaucht und sich ausbreitet. Viel mehr schleicht sie sich von hinten an. Genussvolle Aktivitäten machen nicht mehr so viel Spaß, Raus zu gehen stellt eine scheinbar unüberwindbare Hürde dar und die Zukunft wirkt nicht geheimnisvoll, sondern wie eine trockene Steppe ohne Aussicht auf Wasser (etwas zugespitzt, ja). Die Gedanken bleiben nicht bei dem, was man gerade tut, sondern machen munter Ausflüge in die Vergangenheit, in der ja alles vermeintlich so viel besser war. Zurück bleibt ein schaler Geschmack und am Ende des Tages die Frage: Was habe ich heute eigentlich gemacht? 
Ich bin im Kopf überall, aber nicht hier. In meinem Kopf warten Berge auf Arbeit darauf, endlich angepackt zu werden, und wenn ich sie dann anpacke, entgleiten sie mir. Weil mein Kopf voll ist von Grübelgedanken, die nirgendwo hinführen außer ins emotionale Nirvana. Dort gibt es: Nichts, und davon sehr viel. 

Bis hierhin war das ein eher deprimierender Blogeintrag, und so will ich dem noch etwas Erbauliches hinzufügen. Um bei der Analogie mit dem Loch, in dem man hockt, zu bleiben: 

Caros Grubenkräne (ziehen mich meist zumindest in Höhen/Tiefen, in denen das Tageslicht erspähbar ist):

- Kaffee & Mate: Nicht im Übermaß, klar. Heben einen aber ein Stück aus der Schwere und helfen, das Leben in Angriff zu nehmen. Netter Nebeneffekt: Lecker.

- Musik: Muss nicht optimistisch und beschwingt sein, damit komme ich mir dann vor, als veralberte ich mich selbst. Alles, was etwas im Selbst zum Klingen bringt, taugt und bringt Lebendigkeit zurück. 

- Sprechen: Über das dumpfe Gefühl, aber auch über andere Dinge. Small Talk kann je nach Stimmung nervig oder auch ablenkend sein. Aktuelles Weltgeschehen, persönliche Themen des/der anderen, Witze, all sowas können sich eignen. Oder einfach schweigend was zusammen unternehmen. 

- Tätigkeiten, die nicht überfordern, aber dennoch auf andere Gedanken bringen oder Raum für eigene Gedanken lassen, wenn dies überfällig ist: Puzzlen, Sudoku, lesen, Spazieren, Singen, Kochen, Musik durchstöbern, Aufräumen, zu einem Thema recherchieren, das einen schon lange interessierte, tindern, Podcasts hören, ein Fotoalbum bekleben, eine Postkarte schreiben.... Ergänzt gerne, ich freue mich über neue Ideen. 

- Vorbilder in Medien, Musik, Literatur  oder dem eigenen Bekanntenkreis finden: Das können Menschen sein, die ähnlich gestrickt sind oder eben ganz anders. Die einen konträren Umgang mit demselben Problem wie man selbst pflegen. Oder die man einfach bewundert. Bei mir zB sind das Sophie Passmann, Julia Engelmann, Chimamanda Ngozi Adichie, Kevin Kühnert, meine Schwester, Juli Zeh,...

- etwas unternehmen: Nichts Großes, was überfordert. Kleine Schmankerl wie Spaziergänge, Kaffee trinken gehen, sich auf eine Bank an den Bach oder ins Grüne setzen....

- etwas Neues ausprobieren: einem Vortrag lauschen (gerade im Onlineformat sehr einfach und niederschwellig umzusetzen), eine Runde Skateboard fahren, asiatische Lebensmittel probieren, eine Tätigkeit austesten, die einem fremd ist...

Alles nichts Neues, aber wenn man so in seinem Sumpf dümpelt, denkt man oft nicht daran oder es wirkt zu schwierig, nicht erfolg- oder spaßversprechend, unnötig. Oftmals ist es das auch. Aber hinterher ist man froh und ein bisschen stolz, es gemacht zu haben, und manchmal ist es besser, irgendwas zu tun, als den eigenen Grübeleien zu viel Raum zu geben. 
Auch wenn man es nicht glaubt, so zeigt die Erfahrung: Irgendwann wird es besser. Vielleicht nicht heute und nicht morgen. Aber irgendwann. 

Kommentare

  1. Wer Lesen schreibt, darf auch Schreiben schreiben ... Gedanken aufdröseln. Entfitzen. Klarer formulieren. Wiederkehrende Muster dabei erkennen. Sich die Freunde am Ausdruck gönnen. Das Gefühl etwas Kleines erschaffen zu haben und den daraus generierten Antrieb gleich für das nächste kleine Projekt zu nutzen. Sei es in persönlichen Nachrichten, dem noch persönlicherem Tagebuch, einer Zeitschrift oder eben einem Blog. Schreiben kann schön sein. Danke für's teilhaben lassen!

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mal wieder was Rührseliges, jetzt, wo die Tage wieder grauer werden, nach einem bombastischen Sommer. Wofür bist Du dankbar? Das ist bei den meisten von uns nicht das, worauf unser Fokus liegt (ein paar Sonnenscheinchen und Frohnaturen ausgenommen, die wahrscheinlich eine sehr gesunde Psyche und Gedankenwelt haben). Umso mehr möchte ich es mir aktiv ins Denken holen. Es gibt immer irgendetwas, das nicht klappt, das unzufrieden macht. Jede:r von uns hat Defizite. Aber die sollten nicht unsere volle Aufmerksamkeit bekommen.  Wofür ich selbst dankbar bin: - ein langer, heißer Sommer voller Sonne - süß-saure, gelb-rote Falläpfel - tiefstehendes Licht am Spätnachmittag - die Ruhe nach einem wuseligen Tag - meine Großeltern noch zu haben - weite Sweatshirts aus dicker Baumwolle - Kontakt zu Freund:innen - wo auch immer sie sind - Kissen - Zimmerpflanzen - Kohlrabi  - Funk & Fernsehen - Abendstunden in meinem Sessel - mein Handy Ich könnte die Liste noch eine Klopapierrolle lang weiterfüh
Wohin sind die Tage, an denen es scheinbar unendliche Mengen an Mate und Zeit gab?  Wohin die Abende, an denen es egal war, wann oder ob wir ins Bett gehen?  Wo sind die spontanen Bäder im Fluss am späten Nachmittag und das Versumpfen in einem packenden Gespräch?  Unbemerkt sind sie gegangen. Ihr Fehlen fällt erst jetzt auf.  Here we go, Erwachsensein.
Wann hat das eigentlich angefangen, dass sich keine:r mehr festlegen will? Alle Optionen, Menschen und Beziehungen ganz offen ? Reicht eine Person nicht oder wollen sie alles haben oder die Möglichkeit (und das damit einhergehende Gefühl), alles haben zu können?  In mein Herz und meinen Kopf passt für eine tiefe Beziehung zueinander (und wieso sollte ich etwas darunter wollen?) maximal eine Person.  Wieso sollte ich eine beliebige Aktivität mit jemand anderem teilen wollen, wenn ich sicher weiß, dass ich sie ganz wunderbar mit dieser einen bestimmten Person teilen kann? Dass wir gut beim Reden, Wandern, Rumalbern oder im Dunklen, Kalten grummelig zusammen nach Hause Stapfen harmonieren?  Ich habe ja, außer wenn ich muss, auch nicht freiwillig mehr als eine Arbeitsstelle, Handynummer, mehr als ein Bett,  oder feiere meinen Geburtstag mehr als einmal. Weil die schönsten Dinge (okay, diese Argumentation greift bei der Arbeitsstelle nicht so ganz) eben nur im Original schön sind. Weswegen