Direkt zum Hauptbereich

Warum Selbstzweifel ne doofe Sache sind

"Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen." Wer auch immer das gesagt hat, hatte das Melancholikergen und - Recht.
Es läuft. Oder eher: Es rennt. Ich kann die Geschwindigkeit gar nicht fassen, in der sich gerade Dinge ereignen. Wie ein fahrender Zug ziehen die Geschehnisse an mir vorbei. Als wäre ich nicht nur nicht dabei, sondern erst recht nicht die Protagonistin. Ich kann nicht ausmachen, wann und wie es anfing, und stecke doch mittendrin.
Probleme, Sorgen und Ängste sind nicht weg, aber werden abgedämpft. Ich habe plötzlich so einen Weichzeichner, der das alles ein wenig in den Hintergrund drängt. Oder vielleicht werden mir die Verwindungen in meinem Kopf durch ihn erst wirklich bewusst. Wer sonst gibt einem in so einem Ausmaß eine Referenz zu dem, was man tut? Ich dachte die meiste Zeit meines Lebens, nur ich habe abendliche Fressanfälle oder trinke zu viel Kaffee. Was an sich nichts Dramatisches ist. Nur stelle ich das jetzt erst fest. Warum? Weil ich vorher nie einen derart intensiven Vergleich mit einem anderen Menschen hatte. Ich glaube, Viele von uns denken, sie seien allein mit ihren Macken und verurteilen sich dafür. Davon gehen sie aber nicht weg. Was bleibt, ist, sie anzunehmen, so, wie sie sind. So bleiben sie bestehen, bereiten uns aber nicht halb so viele Falten wie durch ständiges Selbst-Infrage-Stellen.
Sich bewusst zu machen, dass ich einfach nur eine von vielen Milliarden Menschen bin und biologisch auch zu nahezu 100% so aufgebaut wie alle diese, entbindet ein Stück weit von einer Verantwortung. Wenn ich mir vor dem Schlafengehen noch ein halbes Kilo Knoblauchquark reinpfeife und davon ausgehe, dass ich aus dem gleichen Baumaterial zusammengeschustert wurde wie alle anderen, muss es ja mindestens eine Person geben, die auch abends mit Wampe im Bett liegt. Vielleicht war euch das schon lange klar. Für mich ist es eine recht frische Erkenntnis.
Wieso muss ich an mir zweifeln, wenn ich mal etwas tue, was Gesellschaft, Ernährungsratgeber und Fashionistas verabscheuen, aber mindestens eine Handvoll andere Menschen ebenso tun? Dann ist vielleicht der Fehler im System und nicht in meinem "kaputten" Essrhythmus. An dieser Stelle ein Mittelfinger an Menschen, die andere aufgrund ihres Körpers kritisieren.
Ach ups, jetzt ist in diesen eigentlich enthusiastischen Text doch eine destruktive Note hinein gekommen.
Es ist Sommer, wir sind Studenten und können uns glücklich schätzen, so viele Freiheiten zu haben, um diesen zu genießen. Straßenfeste, kühles Bier und einlullende Töne aus der Stereoanlage. Es gibt so viele Anlässe, zufrieden zu sein.
Ich will gelegentliche Tristesse und Ödnis, Melancholie oder Wut nicht kleinreden noch verdammen. Aber die kommen sowieso. Zwischendrin kann man sich ruhig mal bewusst zu machen, was für atemberaubende Momente gerade vonstatten gehen. Oder vielleicht bin das wieder nur ich, für die das nichts Selbstverständliches ist.
Aber statistisch gesehen kann ich nicht die einzige Grübler-Grantlerin sein. Ich mein ja nur.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mal wieder was Rührseliges, jetzt, wo die Tage wieder grauer werden, nach einem bombastischen Sommer. Wofür bist Du dankbar? Das ist bei den meisten von uns nicht das, worauf unser Fokus liegt (ein paar Sonnenscheinchen und Frohnaturen ausgenommen, die wahrscheinlich eine sehr gesunde Psyche und Gedankenwelt haben). Umso mehr möchte ich es mir aktiv ins Denken holen. Es gibt immer irgendetwas, das nicht klappt, das unzufrieden macht. Jede:r von uns hat Defizite. Aber die sollten nicht unsere volle Aufmerksamkeit bekommen.  Wofür ich selbst dankbar bin: - ein langer, heißer Sommer voller Sonne - süß-saure, gelb-rote Falläpfel - tiefstehendes Licht am Spätnachmittag - die Ruhe nach einem wuseligen Tag - meine Großeltern noch zu haben - weite Sweatshirts aus dicker Baumwolle - Kontakt zu Freund:innen - wo auch immer sie sind - Kissen - Zimmerpflanzen - Kohlrabi  - Funk & Fernsehen - Abendstunden in meinem Sessel - mein Handy Ich könnte die Liste noch eine Klopapierrolle lang weiterfüh
Wohin sind die Tage, an denen es scheinbar unendliche Mengen an Mate und Zeit gab?  Wohin die Abende, an denen es egal war, wann oder ob wir ins Bett gehen?  Wo sind die spontanen Bäder im Fluss am späten Nachmittag und das Versumpfen in einem packenden Gespräch?  Unbemerkt sind sie gegangen. Ihr Fehlen fällt erst jetzt auf.  Here we go, Erwachsensein.
Wann hat das eigentlich angefangen, dass sich keine:r mehr festlegen will? Alle Optionen, Menschen und Beziehungen ganz offen ? Reicht eine Person nicht oder wollen sie alles haben oder die Möglichkeit (und das damit einhergehende Gefühl), alles haben zu können?  In mein Herz und meinen Kopf passt für eine tiefe Beziehung zueinander (und wieso sollte ich etwas darunter wollen?) maximal eine Person.  Wieso sollte ich eine beliebige Aktivität mit jemand anderem teilen wollen, wenn ich sicher weiß, dass ich sie ganz wunderbar mit dieser einen bestimmten Person teilen kann? Dass wir gut beim Reden, Wandern, Rumalbern oder im Dunklen, Kalten grummelig zusammen nach Hause Stapfen harmonieren?  Ich habe ja, außer wenn ich muss, auch nicht freiwillig mehr als eine Arbeitsstelle, Handynummer, mehr als ein Bett,  oder feiere meinen Geburtstag mehr als einmal. Weil die schönsten Dinge (okay, diese Argumentation greift bei der Arbeitsstelle nicht so ganz) eben nur im Original schön sind. Weswegen