Von was gibt es hier noch mehr als Kinder und
Stechmücken? Richtig- Feiertage! Nachdem wir jetzt schon den Tag des
Fußgängers, den Geburtstag von Santa Cruz, den Tag des Schülers, der Liebe und
des Frühlings (wohlgemerkt alle drei gleichzeitig), den Tag der Flagge und die
Plurinationalen Spiele gefeiert haben, verdankten wir dem „Tag der
Verstorbenen“ ein verlängertes Wochenende. Samstagfrüh startete um sieben Uhr –
der Zeit entsprechend ohne unsere Anwesenheit – eine Motorradralley, die auf
mehreren hundert Kilometern durch die Provinz führte und am Sonntagnachmittag –
diesem Event wohnten wir bei- wieder in Comarapa City ankam. Von den knapp 200
Teilnehmern kam nur ein Bruchteil an; auf der doch recht rustikalen Strecke
hatte es einige vorher geschmissen. So warteten wir also ab drei Uhr unter der
Menge fröhlich bechernder Bolivianer im Matsch, bis gegen fünf der erste
schlammgebadete Zweiradheld eintraf. Oder eher einraste. Knapp gefolgt
von einer Frau – an dieser Stelle muss ich ein bisschen feministisch werden –
auf einem Quad. Vor dem Brüderhaus sitzend, belustigten wir uns dann noch über
die Nonnen, die es sich auf Plastikstühlen und mit Radio auf der Schulter vor
dem Kloster gemütlich gemacht hatten und bei jedem Fahrer aufsprangen, um mit
einem weißen Tüchlein zu winken. Meine Vorgängerin Laura hatte mir von einer
Party nach dem Rennen erzählt. Als wir in besagter Lokalität eintrudelten,
potenzierte sich die sonst in Comarapa herrschende Pfeif-, Hinterherguck- und
Ansprechfrequenz noch mal. Lauter ange- bis betrunkene Männer, für die
weiße Frauen wohl eine ziemliche Rarität sind. Nach ein paar Bier verschwanden
Wiebke und Melli dann relativ pronto auf der Tanzfläche, während ich mal wieder
das Verhalten feiernder Bolivianer und insbesondere deren absolut ästhetisches
Tanzen analysierte. Irgendwann landete ich auch unter den Gummihüften; von
Ästhetik kann aber keine Rede sein. Mein Tanzpartner ermahnte mich alle paar
Takte, nicht auf meine Füße zu starren und auch ab und zu mal zu lächeln. Die
Konsequenz bekam er zu spüren, als ich ihm auf die Füße trat.
Der Tradition entsprechend, suchten wir
Montagnachmittag den örtlichen Friedhof auf, um am „Dia de los difuntos“ für
die Verstorbenen zu beten. Den Friedhof stellt ihr euch mit großen, bunt
geschmückten Mausoleen für jede Familie vor. Wiebkes bolivianischer Kumpel
führte uns in die Verfahrensweise hier ein: Man stellt sich vor ein Grab oder
Mausoleum, betet jeweils drei Vater unser und Ave Maria. Als Dank bekommt man
von der Familie des Dahingeschiedenen Plätzchen, Kuchen, Cola oder auch mal ein
Schnäpschen. Wir wurden von Grab zu Grab geschleift, um unsere deutschen Gebete
runterzurattern. Wiebkes companero suchte immer nach den Gräbern mit dem besten
Süßzeug, sodass wir am Ende nicht nur zwei Einkaufstüten voller Gebäck, sondern
auch einen sitzen hatten. Auch wenn wir uns anfangs etwas befremdlich mit
diesem „Handel“ um die Gnade Gottes vorkamen, herrschte auf dem Friedhof
heitere Stimmung.
Melli, ihre Gastmama und das Monstrum |
Für Mellis Geburtstag, in den wir am Abend
reinfeierten, backten die Brüder (NICHT: Mönche) Pizza und ihre Gastmama Dolli
eine Torte, in der ein Baby locker Platz gehabt hätte.
Wieder mal wurde uns die
Herzlichkeit dieser Menschen bewusst, als eine Gitarre ausgepackt und für Melli
gesungen wurde. Ich müsste lügen, wenn das das Einzige war, was mir an diesem
Abend Freude machte. Bis Mitternacht leerten wir zwei Schnaps- und diverse
Weinflaschen, was sich am nächsten Morgen bemerkbar machte, als mein Wecker für
einen gewöhnlichen Arbeitstag im Altersheim klingelte.
Anton mit dem Kindergarten-Wimpel |
Am Mittwoch (4.11.) wartete jedoch schon die
nächste Feierei: Anlässlich des 55. Geburtstags der Provinz marschierten Anton
und ich mit den Lehrerinnen beim Umzug mit, der auf einer Strecke von etwa 100
Metern einmal um die Plaza führte. Wir konnten uns nicht entscheiden, ob das
jetzt peinlich oder einfach nur lustig war. Das Altersheim veranstaltete ein
Grillfest, bei dem Anton und ich ein bisschen mithalfen. Wie ich später erfuhr,
finanziert sich durch Einnahmen wie diese das Heim, das keinerlei Unterstützung
vom Staat erhält. Als ich später mein Stadion-Läufchen absolvierte, traf ich
auf eine Gruppe Männer, die mit Bierflaschen im Gras saßen. Darunter ein
bekanntes Gesicht: der Bürgermeister. Na, der darf ja auch mal mit seinen Kumpels einen kippen.
Ein bisschen Spaß muss sein. Bis zum nächsten Feiertag!
Marilin, Koechin des Kindergartens, wollte unbedingt ein Foto ;) |
Kommentare
Kommentar veröffentlichen