Direkt zum Hauptbereich

Schieflagen

Ich bin ratlos. Ratlos angesichts all der Katastrophen, die weltweit passieren, und gegen die ich so gar nichts tun kann. Es reicht nicht, nicht mehr zu fliegen, Mehrweg-Einkaufsbeutel zu nutzen und die Grünen zu wählen. Das wird die Klimaerwärmung nicht aufhalten. Nicht nur ein moralisches, sondern auch ein emotionales Dilemma, das ich seit ziemlich genau 20 Jahren zu verdrängen versuche. Wie jedes Runterschlucken macht es sich irgendwann, in einer unbedachten Minute, mit beißendem Sodbrennen bemerkbar. Die Klimaerwärmung ist das Eine. Da sind aber noch so viele andere Problemherde: ein Krieg, hungerleidende Menschen in anderen Regionen der Welt, (er)frierende Obdachlose, Gewaltherrscher (wie ich neulich lernte, gibt es auf der Welt weniger wirklich demokratische Länder als unterdrückerisch regierte), die basale Menschenrechte verachten, Überbevölkerung, Artensterben und Epidemien. Ich fühle mich nicht nur ohnmächtig, ich bin es. Das macht mich unmittelbar traurig, auf Dauer aber müde und verbittert. Gibt es irgendetwas, das besser wird anstatt schlechter? Vermutlich. Ich sehe es nur nicht. Es liegt in der Natur von Nachrichten, zu warnen - schließlich ist der Mensch schon evolutionspsychologisch auf Früherkennung von Gefahren ausgerichtet. 

Die letzten Wochen habe ich diese unguten Entwicklungen durch Nachrichtenabstinenz zu verdrängen versucht. Das klappte mehr schlecht als recht. Bewusst waren mir die globalen Schieflagen nämlich trotzdem. Außerdem sind da noch die im Verhältnis dazu marginalen Problemchen, die mich (und ich vermute, viele andere Menschen auch) selbst betreffen: Unklare Berufsperspektiven, gesellschaftliche Vereinzelung, Isolation, individuelle Bedeutungslosigkeit und die Tücken des Kapitalismus wie sinnentleerte Arbeit, Müllberge und konsumzentrierte Innenstadtplanung. Ja, das klingt ernüchtert. Aber ich weiß nicht mehr weiter. Brav meine Hausaufgaben zu machen, Zeit in der Natur zu verbringen, die Wohnung (mäßig) sauber zu halten und mich gesund zu ernähren machen NICHTS besser. Alles, was das bewirkt, ist, noch weniger Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu haben. 

Ich bin ratlos und irgendwie wütend und am Ende vor allem traurig. Ich will mich nicht abhärten gegen all die Übel, die passieren. Gibt es eine Alternative? Ich hoffe. 

Dennoch endet dieser Text nicht erquicklich und bietet auch keinen positiven Ausblick. Den habe ich nicht und ihn mir aus der Nase zu ziehen käme mir falsch vor. Ihr, die ihr das hier lest: Wenn ihr eine Idee habt, wie all dem zu begegnen ist, lasst es mich wissen. 

Auf bald.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Freistrampeln

Wenn das Leben zur Ruhe kommt, nicht mehr nur fordert und Aufmerksamkeit verlangt und ständiges Probleme-Lösen, wird Raum frei. Der Kopf wird frei von Nöten, die drücken, zerren, reißen. Der Boden ist geebnet zum Entstehen von Neuem oder Wiederaufleben von Altem; der Blick öffnet sich für das, was um einen herum geschieht. Ich atme durch, erst vorsichtig, misstrauisch, so, als müsste ich erst testen, ob die Luft auch wirklich rein ist. Ob der Stille zu trauen ist oder sie nicht doch jäh durch einen Knall zerrissen wird. Dann hole ich tiefer Luft. Atem fließt ein, Atem strömt aus. Langsam, gleichmäßig, rhythmisch. Befreiung. Wieder Da-Sein statt immer etwas Hinterher Rennen. Die Hände wieder frei haben, um zu Handeln, statt nur zu Reagieren oder stumpf Auszuharren und zu Erdulden. Leben statt Warten. Jetzt. 

Immer mal was Neues

Neu anzufangen erfrischt beim zweiten oder dritten Mal noch fast genauso wie beim ersten. Warum mache ich es dann so selten? Weil es wie ein Sprung in den See ist: Nicht nur erfrischend, sondern auch bezitternd, einschüchternd, Überwindung kostend. Dann doch lieber das gute Alte, Bekannte. In unseren Routinen haben wir uns heimelig eingerichtet, fühlen uns sicher. Hat bisher geklappt, wird es also auch in Zukunft. Was neu ist, ist fremd, will erstmal vorsichtig begutachtet und überprüft werden. Schließlich kann es auch schief gehen, und wo landen wir dann? Offenes Ende.  Der Trugschluss dabei: Ganz oder gar nicht. Ich glaube, mich entscheiden zu müssen, und mit der Wahl des Neuen zwangsläufig das Alte zu verlieren. Unwiederbringlich. Das ist aber seltenst der Fall. Weitaus häufiger können wir erstmal einen Zeh ins kalte Wasser halten und bei maximaler Abstoßung unmittelbar zurück in den Schutz des warmen weichen Handtuchs fliehen.  Trotzdem gibt es natürlich einige Tätigkeiten...
 This week's insights (so far): - Stress and worries are subjective perceptions. What you consider an easy task might be a tough challenge for me. Everyone has their own threshold for when things get too much or too difficult to handle.  - Coffee helps. Almost always. Except from when trying to fall asleep.  - Spending time with friends and family is nice, but when introverts don't get enough alone time, we can't enjoy others' company either. Fill your batteries first. There's no obligation to be sociable all the time. - Shitty days can get better. The next day at the latest.  Maybe not what spring looks like, but a hommage to the grandiosity of beds - Wrapping yourself in the soft coat of sleep can magically remove worries overnight.  - Spring hasn't come yet. So let's enjoy the last days of winter doing what we will be too busy to do during summer: Drinking tea, reading the newspaper, streaming videos and wearing woolen socks.