Direkt zum Hauptbereich

Völlig losgelöst


Ich habe kein Wlan zuhause. In meinen Ohren klingt das wie ein Steinschlag, schwer und vernichtend. Soziale Zusammenkünfte bei mir: nicht möglich. Mit einem gewissen Unbehagen lasse ich diese Hiobsbotschaft beim täglichen Plausch mit Freunden fallen. Ich manövriere mich ins soziale Abseits, weil ich Fragen nach einem Besuch bei mir immer wieder ausschlagen muss und keiner mir mittlerweile die Nummer mit dem Internet abkauft. Come on, seriously? Wir leben in 2018, das Einzige, was man ohne Internet kann, ist Hackfleisch braten, Schätzchen. Digital Detox okay, aber gezwungenermaßen ohne Internet, das kannst du deiner Oma erzählen. Ich muss mir immer wieder selbst versichern, dass ich nicht lüge, weil ich ein Misanthrop bin und niemanden zu mir einladen möchte. Aber es ist die Wahrheit, so glaubt mir doch!

Ich komme mir vor, als lebte ich in der russischen Tundra anstatt in einer (ost-)deutschen Großstadt. Abgeschnitten, abgehängt, zurück in den 80ern. Ich decke mich mit Büchern ein, zu deren Lektüre ich nicht komme, weil ich mich so über mein Wlan-Dilemma aufrege. Ich scheine eine Beziehung mit der Vodafone-Kundenhotline zu führen, so viel Zeit und Gefühle (Spektrum reicht von Wut bis Verzweiflung und schließlich Resignation) gebe ich diesem Callcenter-Beschmuh. Ich erwäge eine stark stinkende oder anderweitig piesackende Postsendung an die Adresse dieses Ganovenunternehmens (ich bin offen für Eure Ideen).

Dabei blickte ich der Strahlenlosigkeit im Vorhinein fast freudig entgegen: Kein zeitfressendes Gedaddel mehr am Handy, endlich Zeit und Energie für all die Dinge, die man seit 2010 nicht mehr gemacht hat. Aber wie bei so Vielem greift hier das Prinzip der Selbstbestimmung: Entscheide ich mich selbst bewusst für den Verbindungsentzug, werde ich mir schon, um kognitive Dissonanz zu vermeiden, selbst einreden, wie toll und erholsam das doch ist. Werde ich aber von außen dazu verdonnert, kann ich wechselweise schimpfen und mich selbst bemitleiden. Davon ändert sich zwar gar nichts, meine Laune richtet sich aber gemütlich im Keller ein. Toll, ein Anderer ist schuld. Nur dass das leider nicht ganz stimmt. Ich habe der Einfachheit halber ein paar Details in dieser Erzählung ausgelassen, um den mittelmäßig interessierten Leser nicht zu langweilen. Die sind aber auch nicht so essentiell. Mir sind vielleicht ein paar kleinere Fehler unterlaufen, die ich unter dem Oberbegriff „technische Nulpe“ zusammenfassen würde. Nicht der Rede wert.

Jedenfalls lebe ich jetzt so voll 2002, bin kurz davor, wieder das Solitaire-Spielen anzufangen (schon allein aus nostalgischen Gründen) und versuche, mir Dinge zu erschließen, anstatt sie zu googeln. Kann ich euch nicht empfehlen und werde auch keinen Vlog darüber drehen, wie viel kreativer ich jetzt durch diese Lösungsfindung geworden bin. Ich werde mir einfach täglich einmal mental mit dem Hammer auf den Finger hauen, Besserung hinsichtlich meiner technischen Fähigkeiten geloben und am Ende – doch nichts ändern.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kleine Alltagsamüsements

Putzig: wenn Menschen statt Umlauten die “einfache” Version der Vokale nutzen: Musli, Tschuss, mude, Kuche,... Funktioniert auch andersherum: drücken (statt drucken), Küss, Süppe,... nötig: dass Menschen verschiedener Berufsgruppen - vor allem bei einem Gefälle im sozialen Prestige/Status/Ansehen dieser Berufe - sich im Alltag begegnen und dieselben Orte aufsuchen. zB wenn auch Bauarbeiter:innen und Hausmeister:innen in der Uni-Cafeteria Kaffee trinken, selbige auch zur Betriebsversammlung des Forschungsinstitutes kommen oder Ärzt:innen und Krankenpfleger:innen zusammen ausgehen. drollig: wenn das Herrchen oder Frauchen den Vierpfoter eher über die Straße ziehen als anders herum. Gute Analogie für schlechte Führungskultur in Teams. irritierend: es klingelt an der Tür. Stimme an der Gegensprechanlage: “Kann ich mal kurz rein?” - Klar, aber - wer bist du? erfrischend: Grunzen. Könnte man viel öfter tun.

Im Sumpf

Viele von Euch kennen das, in der ein oder anderen Ausprägung, in stärkerem oder schwächerem Ausmaß: In den Seilen hängen. Im Loch hocken. Durchgelatscht sein. Während viele Depression immer noch mit Traurigkeit und Weinen assoziieren, macht sie sich bei mir eher durch Leere bemerkbar. Oder eben nicht. Sie fällt einem nicht auf wie ein Ausschlag, der plötzlich auftaucht und sich ausbreitet. Viel mehr schleicht sie sich von hinten an. Genussvolle Aktivitäten machen nicht mehr so viel Spaß, Raus zu gehen stellt eine scheinbar unüberwindbare Hürde dar und die Zukunft wirkt nicht geheimnisvoll, sondern wie eine trockene Steppe ohne Aussicht auf Wasser (etwas zugespitzt, ja). Die Gedanken bleiben nicht bei dem, was man gerade tut, sondern machen munter Ausflüge in die Vergangenheit, in der ja alles vermeintlich so viel besser war. Zurück bleibt ein schaler Geschmack und am Ende des Tages die Frage: Was habe ich heute eigentlich gemacht?  Ich bin im Kopf überall, aber nicht hier. In mein...

I LOVE travelling!

At times, all I can think of is holiday, going away, breaking out of the routine and seeing something completely different (okay, actually the places I'm going to then look fairly similar to my home town: middle sized towns with pittoresque houses, surrounded by green middle high hills, often crossed by a river). So much I longed for time away from everything. After three days into the trip, however, what I longed for most was home. Not because the holiday was so terrible. I didn't get bedbugs or a sunstroke and I wasn't robbed (all of which have happened recently, to me or people around me). I just didn't have any drive for activities anymore.  Impressive, but not for a mind that is already full What I probably really needed was not an exciting trip with lots of new impressions and little adventures, but a bed somewhere by a lake and a week of rain. To simply do nothing. Not the kind of doing nothing where you're stuck behind a screen, paralysed and restless. But t...