Direkt zum Hauptbereich

Kapitulation, Kapitän

Meine Beine fühlen sich an wie Quabbelquatsch, die Birne wie in einen Rahmen gepresst - dabei trage ich nicht mal einen Helm. Das eigentlich Unangenehme sind aber nicht meine Verfallserscheinungen, sondern das trotzige Drüber-Hinweg-Marschieren. Wie ein Kind verschließe ich die Augen, nein, rammle die Fensterläden zu vor dem Offenspürlichen: Ich bin schwach. Dieses Eingeständnis brennt wie Säure. Unordentlich, griesgrämig, ahnungslos - Vieles kann ich aushalten zu sein, aber nicht schwach. Ist es eine unzulässige Verallgemeinerung, wenn ich behaupte, dass es so manchem anderen auch so geht? 

Woher kommt das ungeschriebene Gesetz, nicht schwach sein zu dürfen? Weil Schwäche dazu führen würde, aufzugeben? Sich geschlagen zu geben, seine vermeintliche Niederlage einzuräumen? Ist es eine Niederlage? Ich finde nicht. Ich finde, bolzengerade zu seinen Unzulänglichkeiten zu stehen und anzuerkennen, dass man nicht mehr kann, ist eher eine Tugend. Ich jedenfalls zolle Respekt, wenn ein Mensch sich in all seiner Verletzlichkeit offenbart und zugibt: Dies ist mein Bestes - mehr habe ich nicht. Endstation. 

Seien es erschöpfte körperliche oder geistige Ressourcen, sei es Können, das fehlt, oder Willen, der begrenzt ist - wir alle erreichen manchmal Punkte, an denen es nicht mehr weitergeht. Zu oft renne ich dann dagegen an, strauchle und falle zurück, oft auch bis hinter die Startlinie. So, als ob ich nur fest genug drücken und schieben müsste, um ein Gebirge wegzurücken. Das endet mitunter in Faustkämpfen gegen mich selbst und die wiederum in Beulen. Das meine ich mit "hinter die Startlinie zurückfallen". 
Geschunden und demoralisiert stolpere ich dann herum. "Was ging nur schief?", frage ich mich. Meine Rechnung ging nicht auf, also muss sie überarbeitet werden. Ich grüble und fluche. Anstatt einfach die Einfalt abzulegen, die Vorstellung zu beenden und den Versuch als genau das zu verbuchen: Einen Versuch. Eine Menge Erfindungen scheiterten, bevor die Glühbirne da war. Wir bekommen es nur nicht mit. Weil es in der Schublade der Geschichte verschwindet. Mit "Nicht geschafft" lassen sich eben keine Schlagzeilen schreiben. 

Ich strebe an, eine rundum runde Kugel zu sein, und bin doch eher ein Ei. Ich taumle, ich kullere, ich falle manchmal einfach um. Nicht jedes Mal muss das in einem allseits bekannten Pfannengericht enden. Dafür muss ich aber lernen, sanft zu fallen. 

https://www.youtube.com/watch?v=mMyA-MpdG44

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Freitagskram

Hier mal wieder eine kreuz und quere Ausschüttung meiner Gedanken der letzten Stunden:  - Lasst uns einen Moment innehalten und dankbar sein, was Medizin heute alles bewirken kann. Welch eine Macht! Immer, wenn sich mein Körper auf unerwünschte Weise meldet, wird mir bewusst, wie großartig Medikamente und ihre Entdeckung sind: Wie toll ist es, keine Schmerzen mehr zu haben, den Antrieb zu steigern und die grauen Schleifen, die unsere Hirne manchmal unnötigerweise ziehen, umzulenken? Danke an all die Menschen, die sich unermüdlich dem Ergründen von Regelkreisen, Enzymen und Wirkstoffen gewidmet haben. - Manchmal bereitet es mir eine diebische Freude, mittelalte, manchmal - aber nicht immer - grantige deutschen Mittelstandsbürger:innen irgendwie zu provozieren oder zumindest zu entrüsten. Das tue ich, indem ich zum Beispiel meine Strumpfhose in der Öffentlichkeit aus- oder anziehe (schließlich verschätzt man sich im deutschen Frühjahr und Herbst gerne mal um 5-10 Grad in der Temperat...

Völlig losgelöst

Ich habe kein Wlan zuhause. In meinen Ohren klingt das wie ein Steinschlag, schwer und vernichtend. Soziale Zusammenkünfte bei mir: nicht möglich. Mit einem gewissen Unbehagen lasse ich diese Hiobsbotschaft beim täglichen Plausch mit Freunden fallen. Ich manövriere mich ins soziale Abseits, weil ich Fragen nach einem Besuch bei mir immer wieder ausschlagen muss und keiner mir mittlerweile die Nummer mit dem Internet abkauft. Come on, seriously? Wir leben in 2018, das Einzige, was man ohne Internet kann, ist Hackfleisch braten, Schätzchen. Digital Detox okay, aber gezwungenermaßen ohne Internet, das kannst du deiner Oma erzählen. Ich muss mir immer wieder selbst versichern, dass ich nicht lüge, weil ich ein Misanthrop bin und niemanden zu mir einladen möchte. Aber es ist die Wahrheit, so glaubt mir doch! Ich komme mir vor, als lebte ich in der russischen Tundra anstatt in einer (ost-)deutschen Großstadt. Abgeschnitten, abgehängt, zurück in den 80ern. Ich decke mich mit Büchern ein...

Einsamkeit

Einsamkeit bricht nicht plötzlich über einen herein wie ein Gewitter. Vielmehr schleicht sie sich leise, zunächst unbemerkt an. Schwelt wochen- oder monatelang vor sich hin wie Schimmel, bis zu dem Tag, an dem man beim Staubsaugen die Zimmerecke mal etwas genauer inspiziert. Ab diesem Moment, der durch einen leichten Schreck gekennzeichnet ist, fragt man sich: Wie konnte ich das so lange nicht sehen?  Das Problem ist: Genau wie gegen Schimmel gibt es gegen Einsamkeit kein akut und sofort wirksames Heilmittel. Das ist das Blöde an Erwachsenenproblemen, dass man sie nicht einfach wegheulen oder -trösten kann. Eine Internetrecherche fördert auch keine neuen Weisheiten: Einfach raus gehen, Vereinen beitreten, Leute ansprechen. Introvertierten Menschen läuft es kalt den Rücken hinunter.  Vor allem hat die Einsamkeit bei mir nicht unbedingt etwas mit einem Mangel an Kontakt zu tun. Vielmehr ist der die Folge, und die eigentliche eitrige Wurzel liegt in einem Gefühl der Leere. An Si...