Alle Jahre wieder fiebert jeder Einzelne von
uns auf einen Tag hin, einen ganz bestimmten, einen von 365, an dem wir uns
selbst mal so richtig feiern dürfen. So putzte sich auch Comarapa, wenn auch
schon ein paar Krautherbste älter als die meisten von uns, zu seinem 401.
Geburtstag heraus. Tage vorher zogen wir schon mit den Kindern und einer großen
Plastiktüte durch die Straßen rund um die Plaza, um sie von Müll zu befreien.
Unermüdlich marschierten wir im Garten des Kindergartens im Kreis, um für die
große Parade zu üben. Am Freitag, dem Vorabend des Jubiläums, zogen Scharen von
comarapenos und „Auswärtigen“ durch die Straße vor dem Coliseo. Die Zuständigen
hatten nicht geknausert und eine richtige kleine Kirmes aufgefahren: ein klappriges
Riesenrad ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen, eine klapprige Raupe, die
ratternd einen Kreis von drei Metern Durchmesser abfuhr, diverse Glücksspiele
mit verschwindend geringer Gewinnwahrscheinlichkeit und eine ganze Latte
Tischkicker. Sucumbe, heiße Milch mit Singani und Zimt, vertrieb die Kälte und
bei so manchem auch die Hemmungen. Hier vergnügte sich das Jungvolk, bis die
Zeremonie im coliseo begann. Mit obligatorischer bolivianischer Verspätung
haute kurz vor Mitternacht die Band in die Saiten und auf die Pauke und die
Menschen stürmten wie die Wilden auf die Tanzfläche. Mit Kontrabass und
Charango wurde Folklore gespielt, bis zu späterer Stunde und gestiegenem
Alkoholpegel – von den Veranstaltern gut kalkuliert – ein Schnulzballadensänger
das Mikrofon übernahm. Da wurde es mir irgendwie zu schleimig.
Pünktlich halb neun schlug ich am
Samstagmorgen, 11. Juni, dem Tag der Tage, am vereinbarten Treffpunkt zum Umzug
auf. Was fand ich vor? Ein gähnendes Kindergartenpersonal. Keine Kinder weit
und breit. Findet den Fehler! Nein, ich befand mich weder am falschen Ort noch
hatte ich mich im Tag vertan. Es schien nur schlichtweg jeder außer mir zu
wissen, dass das Spektakel niemals um 8.30 starten würde. Bolivianische
Zeitangaben sind ungefähr so verlässlich wie die Deutsche Bahn. So standen wir
uns mit den erstaunlich geduldigen Pimpfen drei Stunden lang die Beine in den
Bauch, bis die Herren Hochwürden ihre Reden beendet hatten, um dann in Uniform
zu Marschmusik einmal um die Plaza zu latschen. Dauer: etwa zwei Minuten. Zu
beachten war dabei, nicht von den aufgemalten Linien auf dem Boden abzuweichen
und möglichst wichtig dreinzuschauen.
In meinem verpennt-hungrigen Zustand drückte
mir das bolivianische Fernsehen noch ein Interview aufs Auge, in dem ich vor
lauter Aufregung die Fragen nicht verstand und entsprechenden Sondermüll
faselte. In meiner Geistesabwesenheit meinte ich zum Schluss noch, Comarapa sei
aus meiner Sicht kein besonders attraktives Touristenziel. Dass der
Bürgermeister mich nicht sofort höchstpersönlich aus seinem Dorf verbannt hat,
ist mir ein Rätsel. Ich kann einfach nicht lügen. Vielleicht sollte ich die
nächsten Tage mal ein wenig inkognito bleiben.
Den Samstagabend verbrachten wir mit
Tischkickern (nur eine meiner vielen Stärken ;) ) und Bier trinken. Exklusiv
für dieses landesweit bekannte Event war mein Mitfreiwilliger Anton angereist
und machte sich gleich mal ein paar der hiesigen Mädels klar. Auf dem Markt
spielte Comarapas berühmteste Band und die Karaoke platzte aus allen Nähten.
Nach einer langen Nacht und einem entsprechend
verdösten Tag setzten wir am Sonntagabend zu einer letzten Runde Tischkicker
an, bei der meine Mitfreiwillige Lea aus Santa Cruz uns alle gnadenlos abzog.
Fazit des Wochenendes: Comarapa kann wirklich
was reißen! Wer hätte das gedacht?
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