Einsamkeit bricht nicht plötzlich über einen herein wie ein Gewitter. Vielmehr schleicht sie sich leise, zunächst unbemerkt an. Schwelt wochen- oder monatelang vor sich hin wie Schimmel, bis zu dem Tag, an dem man beim Staubsaugen die Zimmerecke mal etwas genauer inspiziert. Ab diesem Moment, der durch einen leichten Schreck gekennzeichnet ist, fragt man sich: Wie konnte ich das so lange nicht sehen?
Das Problem ist: Genau wie gegen Schimmel gibt es gegen Einsamkeit kein akut und sofort wirksames Heilmittel. Das ist das Blöde an Erwachsenenproblemen, dass man sie nicht einfach wegheulen oder -trösten kann. Eine Internetrecherche fördert auch keine neuen Weisheiten: Einfach raus gehen, Vereinen beitreten, Leute ansprechen. Introvertierten Menschen läuft es kalt den Rücken hinunter.
Vor allem hat die Einsamkeit bei mir nicht unbedingt etwas mit einem Mangel an Kontakt zu tun. Vielmehr ist der die Folge, und die eigentliche eitrige Wurzel liegt in einem Gefühl der Leere. An Sinn, an Zielen, an echter Begeisterung. Auch diese Leere kam nicht plötzlich und sicher wird sie nicht für immer und ewig bleiben. Aber jetzt ist sie da und ich muss (oder sollte) sie mir anschauen. Sie zumindest zur Kenntnis nehmen.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass sie vorbeischaut, genau wie ich nicht die Einzige bin, der sie einen Besuch abstattet. Im Internet (den hilfreicheren und weniger zurechtgeschönten Seiten davon) lese ich von vielen Anderen, die mit ähnlichen Geistern zu kämpfen haben. Das bringt zwar keine Lösung, aber etwas Erleichterung. Vielleicht ist Einsamkeit eine urmenschliche Erfahrung, die uns manchmal überkommt. Was dagegen hilft, muss jede:r für sich selbst herausfinden. Ich sage ja, Erwachsenenprobleme sind knifflig.
Was meiner Meinung nach jedoch nicht dagegen hilft, ist Schweigen. So tun, als ob Einsamkeit ein dunkles schwarzes Monster ist, das nur die anderen betrifft. Die unverbesserlichen Junggesell:innen (so nannte man früher Singles), ältere Menschen, Nerds, Soziopathen oder Verwitwete. Sie trifft Kinder genauso wie Erwachsene, prekär Beschäftigte genauso wie Bestsellerautor:innen (wie viele Romane und Essays handeln von der Verlorenheit und Zurückgeworfenheit aufs Selbst in der Postmoderne). Sie trifft mich und vielleicht auch dich und mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendjemanden aus deinem Freundes- oder Bekanntenkreis. Das Thema mag nicht für alle so leicht anzusprechen sein wie für mich, die sich schon seit 15 Jahren damit auseinandersetzt. Es mag auch nicht jedem/r helfen, darüber zu sprechen. Mir hilft es, um es zu benennen, anzuschauen und festzustellen: Aha, dich kenn ich doch. Not nice to meet you, aber komm trotzdem rein.
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