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Trips mit Turbulenzen (Teil 1)


Wir stecken im Dschungel fest. Wortwörtlich. Während der Busfahrer verzweifelte Versuche wagt, die Räder seines Gefährts aus dem Schlamm zu manövrieren, schaue ich aus dem Fenster und sehe ein paar verfallene Lehmhütten inmitten von Grün. Grasgrün, Palmengrün, saftiges Blattgrün- so gern ich meine Lieblingsfarbe in all ihren Abstufungen habe, wäre ich jetzt über ein bisschen braun-graue Zivilisation ganz erquickt.
Dass die Fahrt eine lange werden würde, hatte man uns kurz vor der Abfahrt mit der Aufforderung, den doppelten Preis zu blechen, mitgeteilt. Der Grund: Straßensperren auf der Strecke von Sucre nach Santa Cruz, die einen dreistündigen Umweg nötig machten. Nach La Palizada, von wo wir nach Comarapa durchstarten wollten, kamen wir gar nicht erst. Aha. Uns fielen die gesonnenbrandeten Bleichgesichter herunter. Wat?! Uns extra den normal schon 13-stündigen Weg nach Santa Cruz schieben, um von dort noch mal sechs Stunden nach Windenhausen zurückzugurken? Nach kurzer Ratlosigkeit erkannten wir die Alternativlosigkeit, stiegen ein und ich betete mal wieder Richtung blaues Gewölbe, dass mein Vesper reichen würde (wer mich kennt, weiß, dass von mir erworbenes Proviant nicht mal eine halbe Stunde unangetastet in meiner Obhut bleibt).
Nach einer Stunde Warten am Bussteig, weil einige Passagiere den Aufpreis nicht zahlen wollten, knatterten wir los. Die vorhergegangenen Tage war das Meiste glatt gelaufen: Wir hatten uns nie verfahren, fast immer die richtigen Micros bekommen und nie länger als vorher veranschlagt gebraucht. Na gut, abgesehen davon, dass wir gestern ungeplant noch eine Nacht länger in Sucre blieben, weil wir uns vier Stunden nach den obligatorischen Abfahrtszeiten zum Bus-Terminal bequemten…Der dadurch gewonnene Tag begann mit einer Internetsession (Isi’s Flug nach La Paz wollte sich partout nicht buchen lassen, der Schlingel); die übrige Zeit schlugen wir im Parque Bolivar in Sucre mit dem Besteigen eines leicht wackligen Miniaturexemplares des Eiffelturms , dem Berutschen eines gigantischen Dinosaurierrüssels und dem Verzehr von scharfen Würstchen sowie einem Kilo Trauben für die Vegetarier unter uns tot. Aus Ersparnisgründen hatten wir die Nacht im Wohnzimmer der weltwärts-WG verbracht, hatten es mal einigermaßen früh aus unseren Schlafsäcken geschafft und genossen die Sonne vor der Monster-Busfahrt. 
Ebenso entspannend auch der vorhergegangene Tag in Tarabuco, einem Dörfchen nahe Sucre, wo ein farben- und essensprächtiges Tanzfest stattfand. Formationen aus den verschiedenen Provinzen hüpften, stampften und sangen in traditionellen Trachten, die unter anderem fünf Zentimeter hohe Holz-Plateau-Schlappen mit angebrachten Rasseln beinhalteten. Das Ganze bewegte sich um eine fünfzehn Meter hohe Säule herum, die über und über behangen war mit – dreimal dürft ihr raten – richtig, Essen! Unten angefangen mit Obst und Gemüse, dann Getreide, Mayo und Ketchup und schließlich Coca Cola- und Alkoholflaschen. Geschmückt wurde dieses Denkmal des Genusses von Koka-Tütchen und einem netten, kompletten Kuhrücken.
Nahrung war auch in den Dorfgassen reichlich vorhanden, leider die der fettigen und tierischen Art (für mich nicht so kompatibel). Ein von uns befragter Probant ließ kein gutes Haar an seinem Hühnchen. An jeder Ecke wurden die obligatorischen Touri-Souvenirs (Pullover aus Lamawolle, Taschen und Tücher mit vermeintlich indigenen Mustern) verkauft, Schilf zu hübschen Blüten gefaltet und Bier an den Mann gebracht. Letzteres mundete uns deutlich besser, als es ein in Fett schwimmender Schweinewanst jemals könnte. Die tollen Tänze, die fröhliche Atmosphäre und nicht zuletzt der Hopfensaft machten gute Laune. 
Traditionelle Tanzgruppen praesentierten ihre Taenze

Der vorhergegangene Samstag hatte uns zum „Ojo del Inca“ (Inka-Auge) geführt, einer kreisrunden Lagune in den Bergen Potosís. Wir bereiteten uns auf eine Erfrischung vor- und glitten in eine pipiwarme Badewanne. Wie uns ein Experte erläuterte, brodelt unter dem Tümpel ein Vulkan, der das Wasser auf mollige 30 Grad erhitzt. Faul dümpelten Isi und ich in der Brühe herum, Schwimmen war zur Erwärmung ja nicht nötig J Dann mussten wir auch schon abzischen, um noch zu angemessener Zeit in Sucre anzukommen, wo wir auf dem Weg nach Comarapa noch mal vorbeischauen wollten. Als der Micro-Fahrer uns beim Busbahnhof rausließ, fanden wir uns vor einem Opernhaus wieder und mussten es erstmal betreten, um uns durch die Busbüros überzeugen zu lassen, dass dies wirklich unser Ziel ist. Hieran dürfen sich die Bauherren von Stuttgart 21 wirklich ein Beispiel nehmen. Da war Evo wohl in Spendierlaune.
Die Fahrt Potosí-Sucre war mal wieder ein Kampf mit meinem Widersacher, dem Harndrang.  Dieses unästhetische Wort verbildlicht die Intensität, mit dem dieser neueste Einfall meines Körpers mich piesackt. Für meine Frage nach einer Toilette im Bus werde ich meist nur ausgelacht.

Wie vor 2000 Jahren diese hochschwangere Dame in Bethlehem pilgerten wir durch die Straßen und suchten Herberge. Die fanden wir in einem süßen Gästehaus (was sogar auf Deutsch an der Tür stand) mit bewachsenem Hinterhof und einem Mehrbettzimmer ganz für uns allein. Wir schlürften (natürlich nur gaaaanz wenige) Schlückchen Chufly (Singani mit Sprite, wollte meine Schwester unbedingt probieren) und begannen die Mission Feiern. In der Shisha-Bar, die einer deutschen Kolonie gleicht, nahmen wir ein zweites Abendessen in Form von Erdbeer-Cocktails zu uns, trafen meine Mitfreiwillige Matthia und traten in dem recht engen Lokal zu Psytrance von einem Fuß auf den anderen. Matthia wies uns auf freien Eintritt plus Getränk in einem Tanzschuppen hin, und so landeten wir auf einer Ü-30-Party mit Playback-Band. Der Sänger „sang“ sogar so mühelos, dass er nicht mal seine Lippen bewegen musste. Magisch, oder? 
Fortsetzung bei Teil 2

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Freistrampeln

Wenn das Leben zur Ruhe kommt, nicht mehr nur fordert und Aufmerksamkeit verlangt und ständiges Probleme-Lösen, wird Raum frei. Der Kopf wird frei von Nöten, die drücken, zerren, reißen. Der Boden ist geebnet zum Entstehen von Neuem oder Wiederaufleben von Altem; der Blick öffnet sich für das, was um einen herum geschieht. Ich atme durch, erst vorsichtig, misstrauisch, so, als müsste ich erst testen, ob die Luft auch wirklich rein ist. Ob der Stille zu trauen ist oder sie nicht doch jäh durch einen Knall zerrissen wird. Dann hole ich tiefer Luft. Atem fließt ein, Atem strömt aus. Langsam, gleichmäßig, rhythmisch. Befreiung. Wieder Da-Sein statt immer etwas Hinterher Rennen. Die Hände wieder frei haben, um zu Handeln, statt nur zu Reagieren oder stumpf Auszuharren und zu Erdulden. Leben statt Warten. Jetzt. 

Immer mal was Neues

Neu anzufangen erfrischt beim zweiten oder dritten Mal noch fast genauso wie beim ersten. Warum mache ich es dann so selten? Weil es wie ein Sprung in den See ist: Nicht nur erfrischend, sondern auch bezitternd, einschüchternd, Überwindung kostend. Dann doch lieber das gute Alte, Bekannte. In unseren Routinen haben wir uns heimelig eingerichtet, fühlen uns sicher. Hat bisher geklappt, wird es also auch in Zukunft. Was neu ist, ist fremd, will erstmal vorsichtig begutachtet und überprüft werden. Schließlich kann es auch schief gehen, und wo landen wir dann? Offenes Ende.  Der Trugschluss dabei: Ganz oder gar nicht. Ich glaube, mich entscheiden zu müssen, und mit der Wahl des Neuen zwangsläufig das Alte zu verlieren. Unwiederbringlich. Das ist aber seltenst der Fall. Weitaus häufiger können wir erstmal einen Zeh ins kalte Wasser halten und bei maximaler Abstoßung unmittelbar zurück in den Schutz des warmen weichen Handtuchs fliehen.  Trotzdem gibt es natürlich einige Tätigkeiten...
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