Hügel voller Häuser aus Ziegelstein, Straßen, so steil, dass
man beim Versuch, sie zu bezwingen fast nach hinten umkippt – dieses Bild gibt
La Pau ab, zweitgrößte Stadt und Sitz der Regierung Boliviens. Um dem
Großstadtgetöse zu entfliehen, zogen Lea und ich uns in die saftig grünen Berge
des Altiplano, die Yungas, zurück. Dort führt ein Wanderweg auf den Spuren der
Inkas von knapp 5000 Metern in vier Tagesetappen auf mollig warme 1300 Meter
ins Tal hinunter. Bergab? Viel zu langweilig, dachten wir uns, drehten die
Wanderkarte um 180 Grad und stiefelten das Ganze nach oben. Das nah bevorstehende
Zwischenseminar in Sucre setzte uns ein Zeitlimit, sodass wir in Chairo (1300
Höhenmeter) mit dem festen Plan, den Gipfel in maximal vier Tagen zu erreichn,
losstiefelten.
Die erste (halbe) Tagesetappe ließ sich noch
frisch-fromm-fröhlich in drei Stunden bewältigen. Am zweiten Tag bemerkten wir
zwei Experten, dass unsere ach-so-professionelle Wanderkarte uns zwar die
Höhenlage der jeweiligen Zwischenstationen verriet, sich über die auf der
Strecke zurückzulegenden Höhenmeter jedoch diskret ausschwieg. Die insgesamt
hundert Meter Höhendifferenz zwischen der ersten und zweiten
Übernachtungsstelle entpuppten sich als ein ständiges Auf und Ab.
Begleitet von allerlei Tierlauten schlängelten wir uns immer am Fluss entlang den Dschungel hoch. Auf dem schweißnassen Rücken: Zelt, Schlafsack und eine Menge Trockenfutter. Im Schein meiner Stirnlampe bereiteten wir abends mit unserem kleinen Köcherlein ein ausgefeiltes Menü – Reis in Hühnerbrühe, begleitet von kühlem Flusswasser zur Erfrischung des Gaumens – zu und betteten unsere vom Rucksack geschundenen Hüften auf drei Zentimeter dicke Isomatten, die wir uns von einem Schweizer Bergsteiger in La Paz geliehen hatten.
Am Wegesrand: Allerlei exotische Pflanzen |
Begleitet von allerlei Tierlauten schlängelten wir uns immer am Fluss entlang den Dschungel hoch. Auf dem schweißnassen Rücken: Zelt, Schlafsack und eine Menge Trockenfutter. Im Schein meiner Stirnlampe bereiteten wir abends mit unserem kleinen Köcherlein ein ausgefeiltes Menü – Reis in Hühnerbrühe, begleitet von kühlem Flusswasser zur Erfrischung des Gaumens – zu und betteten unsere vom Rucksack geschundenen Hüften auf drei Zentimeter dicke Isomatten, die wir uns von einem Schweizer Bergsteiger in La Paz geliehen hatten.
Nach feucht-heißen Tropensphären wurden wir am dritten Tag nach einer deutlichen Temperatur- und Vegetationsveränderung auf 3600 Höhenmetern eine Viertelstunde vor unserem Tagesziel von einem süßen Hagelschauer überrascht, der uns bis auf die Unterwäsche durchnässte. So dankten wir – wieder einmal- einem noch nicht bewiesenen Gott, als wir mit bestens gelaunten Pfadfindern in einem Kirchlein Unterschlupf fanden. Meine Laune dagegen hielt sich nur dank der Känguru-Chroniken, die wir in unsere Schlafsäcke gemummelt hörten, über Wasser. Mir war sogar zu kalt, um zu kochen- stellt euch das mal vor! Ich hätte freiwillig auf Nahrungszufuhr verzichtet!
Allheilmittel, Helfer in der (Hoehen-)Not: Coca |
Die prasselnde Sonne am nächsten Morgen trocknete zwar unser
Häs, zog sich aber mit zunehmender Höhe zurück, bis wir uns im Nieselregen
wiederfanden. Die letzte Tagesetappe forderte uns aufs Härteste: Statt 1000
Metern, wie unsere Karte behauptete, führte uns der steinige Pfad 1500 Meter in
die Höhe. Der Luftsauerstoff nahm immer weiter ab, sodass wir irgendwann in
Abständen von 50 Metern zum Verschnaufen stehen bleiben mussten.
Auf knapp 5000 Metern bewegten wir uns durch eine kahle Mondlandschaft, der Nebel nahm uns die Sicht, der Aufstieg schien kein Ende nehmen zu wollen. Unsere Nerven lagen blitzeblank, als wir auf einen munteren Bolivianer – ein Lebewesen! Hier oben!- trafen, der uns den Gipfel in zwei Laufminuten Entfernung verhieß. Tatsächlich! Der Nebel lichtete sich, und nach einer Kurve stieg der Weg sanft AB. Unsere Anspannung und Angst entlud sich in erleichterten Jubelschreien.
Eine halbe
Stunde später kauerten wir auf der Ladefläche eines Jeeps, der uns in die
Zivilisation zurückbrachte, und konnten immer noch nicht fassen, was hinter uns
lag: Insgesamt etwa 4000 Meter waren wir in drei Tagen in die Höhe gewandert, hatten
Papageien und Alpacas gesichtet, hatten geschwitzt, gefroren und geschwankt
zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Ein Gefühl wie auf Drogen durchflutete uns.
Brot und Früchte schlangen wir hinunter, als bekämen wir bis ans Ende unseres
Lebens keines mehr.
Auf knapp 5000 Metern bewegten wir uns durch eine kahle Mondlandschaft, der Nebel nahm uns die Sicht, der Aufstieg schien kein Ende nehmen zu wollen. Unsere Nerven lagen blitzeblank, als wir auf einen munteren Bolivianer – ein Lebewesen! Hier oben!- trafen, der uns den Gipfel in zwei Laufminuten Entfernung verhieß. Tatsächlich! Der Nebel lichtete sich, und nach einer Kurve stieg der Weg sanft AB. Unsere Anspannung und Angst entlud sich in erleichterten Jubelschreien.
Am nächsten Abend fuhren wir mit den La-Paz-Freiwilligen
luxuriös in einem Cama-Bus (breite, weiche und verstellbare Sessel) nach Sucre
zum Seminar. Mit dabei: Martin, Regionalkoordinator von La Paz und Veranstalter
diverser Trekking-Touren. Der Dresdner erklärte uns für etwas bekloppt und
rügte uns wegen der Gefahren, die der Trip geborgen hatte. Ob wir uns dem
bewusst gewesen waren? Vielleicht ja. Vielleicht nein. Trotz allem bereuen wir
nichts. Manchmal muss man scheinbare Grenzen überschreiten, um zu erfahren, was
möglich ist, wenn man seine Furcht einen Moment loslässt.
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