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Hooray Hooray Sucray!

Weiße Häuser, steile Buckel,
das bedeutet: Micro-Geruckel.
Finde den Fehler!

Quechua in aller Ohren,
kleiner Zeh schon abgefroren
Frauen mit Tacken
Männer mit Glocken
Blinken wie Europa Park,
Heimfahrt für 'ne müde Mark
Willst du's experienciaren,
musst du bloß nach Sucre fahren!

Seit einer Woche weile ich in einem Außenbezirk Sucres, der Hauptstadt Boliviens, bei zwei Mitfreiwilligen – Lea und Cathi. Weil man auch als arbeitsloser Comarapeño nicht (nur) auf der faulen, verstochenen Haut liegen kann, wurschle ich also im Projekt der Beiden, einem Comedor (Mensa) mit Hausaufgabenbetreuung, herum. Wegen der Sommer(!)ferien fällt der Teil mi t den Hausaufgaben weg, sodass wir mit den etwa dreißig Flöhen im Alter von vier bis dreizehn meist basteln oder in der Küche schälen, schnippeln und spülen. Köchin Benita schüttelt zwar immer ihren bezopften Kopf, wenn ich an laienhaft an einer Kartoffel herumpule, erzählt uns aber trotzdem Anekdoten aus dem Leben einer echten Chulita. 

Ausflug ins Heimatmuseum mit den Frechdächsen

Die Stupsel, alle aus unserem ländlichen und sehr familiären Vorort Lajastambo, basteln für ihr Leben gern, essen und spülen selbstständig und strotzen vor Neugierde. So werden wir regelmäßig nach diesem oder jenem Wort auf Englisch oder auch mal Chinesisch gefragt oder ob George Washington eigentlich dick war. Nach meinen verzweifelten Versuchen, den Zwergen im Comarapa'schen Kindergarten die Farbe einer Birne einzubläuen, erfrischt diese Lernbegierde ungemein. Zudem komme ich jeden Tag in den Genuss eines frisch gekochten Mittagessens. Das, meine Freunde, bedeutet für mich wahren Luxus. Mein Magen, die alte Zicke, zeigt sich dafür leider nicht erkenntlich und reagiert mit Krämpfen und anderen Symptomen, die ihr euch bestimmt denken könnt.
Obwohl wir uns am Rande der Hauptstadt dieses wunderschönen Landes befinden, hat man manchmal eher den Eindruck, mitten in der Pampa zu hocken: Im „Park“ (grüne Wiese voller Unkraut) hängen Kühe rum, Stromausfall kommt regelmäßiger als die Müllabfuhr und Klospülung is nich. Der Großteil der Lajastambo'schen Bevölkerung spricht fließend Quechua, ist irgendwie untereinander verwandt und gießt beim Genuss von Alkohol das obligatorische Schlückchen auf den Fußboden- für Pachamama.
Wetter: Tagsüber bretzelt auf knapp 3000 Metern Höhe entweder erbarmungslos die Sonne herunter oder es schüttet wie aus einer gut gefüllten Wassertonne. Nachts gefriert einem dann fast die Nasenspitze. Eines von Leas und Cathis Kätzchen pennt dann auch mal mit in meinem Schlafsack. Höchste Platt-Drück-Gefahr.
Die Innenstadt Sucres ist gekennzeichnet durch schneeweiße Kolonialhäuser und Hüge, so steil, dass eine volle Micro im Schritttempo hochkriechen muss. Rund um die Plaza hampeln Kinder in Zebrakostümen auf ihren Äquivalenten auf dem Boden herum und koordinieren den Verkehr. Ja, die Plaza- die leuchtet kurz vor Weihnachten in allen Farben des Regenbogens und das Rathaus wirkt eher wie ein gigantischer, blinkender Spielautomat. Die bolivianische Art, dezent weihnachtlich zu dekorieren.

Che Guevara, der Revoluzzer
















So auch im Parque Bolivar, wo wir zwischen Mini-Eiffelturm und Fontänenshow der Probe für eine Entrada (Tanzumzug) beiwohnten. Dabei wird zum Gepäper einer Blaskapelle auf der Straße getanzt: Die Frau tippelt auf Ultra-High-Heels herum, die Männer werfen ihre in Glockenstiefeln steckenden Waden durch die Luft. Dazu wird gesungen. Wieder einmal wird deutlich, wieviel Leidenschaft und Freude hier dahintersteckt. Schade eigentlich, dass ich so ein fauler Mensch geworden bin und statt meine Hüften zu schwingen, lieber im Internet vor mich hin schwadroniere...

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Freistrampeln

Wenn das Leben zur Ruhe kommt, nicht mehr nur fordert und Aufmerksamkeit verlangt und ständiges Probleme-Lösen, wird Raum frei. Der Kopf wird frei von Nöten, die drücken, zerren, reißen. Der Boden ist geebnet zum Entstehen von Neuem oder Wiederaufleben von Altem; der Blick öffnet sich für das, was um einen herum geschieht. Ich atme durch, erst vorsichtig, misstrauisch, so, als müsste ich erst testen, ob die Luft auch wirklich rein ist. Ob der Stille zu trauen ist oder sie nicht doch jäh durch einen Knall zerrissen wird. Dann hole ich tiefer Luft. Atem fließt ein, Atem strömt aus. Langsam, gleichmäßig, rhythmisch. Befreiung. Wieder Da-Sein statt immer etwas Hinterher Rennen. Die Hände wieder frei haben, um zu Handeln, statt nur zu Reagieren oder stumpf Auszuharren und zu Erdulden. Leben statt Warten. Jetzt. 

Immer mal was Neues

Neu anzufangen erfrischt beim zweiten oder dritten Mal noch fast genauso wie beim ersten. Warum mache ich es dann so selten? Weil es wie ein Sprung in den See ist: Nicht nur erfrischend, sondern auch bezitternd, einschüchternd, Überwindung kostend. Dann doch lieber das gute Alte, Bekannte. In unseren Routinen haben wir uns heimelig eingerichtet, fühlen uns sicher. Hat bisher geklappt, wird es also auch in Zukunft. Was neu ist, ist fremd, will erstmal vorsichtig begutachtet und überprüft werden. Schließlich kann es auch schief gehen, und wo landen wir dann? Offenes Ende.  Der Trugschluss dabei: Ganz oder gar nicht. Ich glaube, mich entscheiden zu müssen, und mit der Wahl des Neuen zwangsläufig das Alte zu verlieren. Unwiederbringlich. Das ist aber seltenst der Fall. Weitaus häufiger können wir erstmal einen Zeh ins kalte Wasser halten und bei maximaler Abstoßung unmittelbar zurück in den Schutz des warmen weichen Handtuchs fliehen.  Trotzdem gibt es natürlich einige Tätigkeiten...
 This week's insights (so far): - Stress and worries are subjective perceptions. What you consider an easy task might be a tough challenge for me. Everyone has their own threshold for when things get too much or too difficult to handle.  - Coffee helps. Almost always. Except from when trying to fall asleep.  - Spending time with friends and family is nice, but when introverts don't get enough alone time, we can't enjoy others' company either. Fill your batteries first. There's no obligation to be sociable all the time. - Shitty days can get better. The next day at the latest.  Maybe not what spring looks like, but a hommage to the grandiosity of beds - Wrapping yourself in the soft coat of sleep can magically remove worries overnight.  - Spring hasn't come yet. So let's enjoy the last days of winter doing what we will be too busy to do during summer: Drinking tea, reading the newspaper, streaming videos and wearing woolen socks.