Direkt zum Hauptbereich

Von Tropen und Moenchen, die keine sind




Den Himmel überzieht ein zartes Himmelblau, die schmale Mondsichel liegt zwischen den Bergrücken. Selbstverständlich ist das so angerichtet; seit tausenden von Jahren und hoffentlich noch mal genauso viele. Gestern noch sahen wir die Sonne zwischen Palmenspitzen untergehen. Die Hitze ließ uns schwitzen und die Straße zog sich geradlinig durch die dichten grünen Wälder. Aus dieser schlafwandlerischen Landschaft wurden wir jäh herausgerissen, als die eng bebauten, breiten Straßen Santa Cruz ankündigten. 


Blick ueber Robore
Drei Tage waren wir unterwegs, doch es scheint länger. Die Chiquitania (Tiefebene) zeigte uns so viel: Das beschauliche Dorf Roboré, Wasserfälle mitten in den Bergen, heiße Quellen und die ursprüngliche Stadt San José mit Jesuitenkirche. „Ganz nebenbei“ lernten wir Menschen kennen, die mir den Glauben an das Gute im Menschen zurückgaben.Fünf betagte Maristenbrüder (KEINE Moenche- Melli, die auf einem Maristenkolleg war, betont diesen Unterschied nachdruecklich)


Die Wasserfaelle - leicht bearbeitet ;)


Schmetterlingshorden bei den aguas calientes

Aguas calientes oder lauwarme Bruehe
boten uns Unterschlupf und schmackhafte Nahrung im Maristenkolleg von Roboré.
 Die Kids müssen sich hier schon um sechs in die Schule schleppen, weil sie sonst vor Hitze durchbrennen wie eine Glühbirne. Vielleicht könnt ihr euch nun vorstellen, warum wir große Teile des Tages auf unseren Matratzen liegend verbrachten. Nicht mal in der Kirche war man vor Schwitzerei und Viechern gefeit!



Zu den aguas calientes (heiße Gewässer) wurden wir exklusiv kutschiert, hockten uns in die warme Brühe und unterhielten uns mit Mennoniten. Diese Aussiedler verließen vor etwa 300 Jahren Deutschland und schlossen sich in Kanada, Mexiko, Belice…. Zu Kolonien zusammen. Was wir zunächst für eine fremde Sprache hielten, sei Niederdeutsch, so erläuterte man uns, und habe seine Wurzeln im Preusischen. Uns kam sofort Niederländisch in die Köppjes, als wir uns ein mennonitisches Wörterbuch reinzogen. Die „Mennonitenpost“ bestand hauptsächlich aus Briefen aus den einzelnen Kolonien, in denen von Krankheiten, Überfällen und der Ernte erzählt wurde. Stutzig machte uns das gehäufte Vorkommen des „selbst gewählten Todes“ unter den Todesanzeigen der Hillebrandts, Isaacs und Co. Geheiratet wird nur innerhalb der Gemeinde, und so frage ich mich, wie der Vater seine acht Kinder überhaupt von seinen zehn Neffen auseinanderhalten kann – die Brütlinge sehen für mich tupfengleich aus. Die Mädels in geblumten Seidenkleidern mit Zopf und Haube, die Jungs mit Latzhose, Hemd und Käppie. Für mich eine äußerst interessante Begegnung- das Beglotzen war beidseitig.

Valle de la Luna - Mondlandschaft



Mit dem Nachtbus ging es ins 1,5 Stunden entfernte San José, wo wir bei Lehrern des Maristenkollegs unterkamen. Die Hitze schlug uns am nächsten Morgen wie Mohammed Alis Faust ins Gesicht. Entsprechend schleppend die Besichtigung der Jesuitenkirche, eines Kunsthandwerkgeschäftes und der Maristenschule, wo wir gleich mal vor eine gackernde bolivianische Meute gestellt wurden, die uns mit Fragen löcherte. Deprimierend, dass ich immer noch auf 17 geschätzt werde. Im Valle de la luna (Mondtal) stiefelten wir über mondkraterähnliches Gestein und danach durch den putzigen Ort, der in der Zeit ein par Jahrzehnte zurückgeblieben scheint. Um sechs quetschten wir uns zu neunt in einen Van, der uns zurück nach Santa Cruz brachte. Vier Stunden lang Bachata, Merengue und Co. in Diskolautstärke. Unsere Mitfahrer feierten es. Donnerstag tuckerten wir mit Hermano Gregorio, dem Ersatzpapa von Wiebke und Melli, in unser Bergidyll Comarapa zurück. Frische Luft und Wind, der den Tropenschweiß trocknet! Am selben Abend kam ich überraschend noch in die Gesellschaft der Dominikaner-Schwestern: Als ich spontan nach etwas Essen fragte (ja, das klingt armselig, aber ist eigentlich so vorgesehen), baten sie mich gleich herein. Unter den schwatzenden und lachenden Nonnen herrschte eine Stimmung, die man in einem Kloster so nicht erwartet.

Schmetterling seelenruhig auf Mellis Finger
Tourifoto vor der Jesuitenkirche - Melli, Wiebke und ich




















Erkenntnis dieser Woche: Reisen frischen nicht nur festgefahrene Denkmuster auf, sondern geben die Möglichkeit zu Begegnungen mit besonderen und warmherzigen Menschen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Einsamkeit

Einsamkeit bricht nicht plötzlich über einen herein wie ein Gewitter. Vielmehr schleicht sie sich leise, zunächst unbemerkt an. Schwelt wochen- oder monatelang vor sich hin wie Schimmel, bis zu dem Tag, an dem man beim Staubsaugen die Zimmerecke mal etwas genauer inspiziert. Ab diesem Moment, der durch einen leichten Schreck gekennzeichnet ist, fragt man sich: Wie konnte ich das so lange nicht sehen?  Das Problem ist: Genau wie gegen Schimmel gibt es gegen Einsamkeit kein akut und sofort wirksames Heilmittel. Das ist das Blöde an Erwachsenenproblemen, dass man sie nicht einfach wegheulen oder -trösten kann. Eine Internetrecherche fördert auch keine neuen Weisheiten: Einfach raus gehen, Vereinen beitreten, Leute ansprechen. Introvertierten Menschen läuft es kalt den Rücken hinunter.  Vor allem hat die Einsamkeit bei mir nicht unbedingt etwas mit einem Mangel an Kontakt zu tun. Vielmehr ist der die Folge, und die eigentliche eitrige Wurzel liegt in einem Gefühl der Leere. An Si...

Im Sumpf

Viele von Euch kennen das, in der ein oder anderen Ausprägung, in stärkerem oder schwächerem Ausmaß: In den Seilen hängen. Im Loch hocken. Durchgelatscht sein. Während viele Depression immer noch mit Traurigkeit und Weinen assoziieren, macht sie sich bei mir eher durch Leere bemerkbar. Oder eben nicht. Sie fällt einem nicht auf wie ein Ausschlag, der plötzlich auftaucht und sich ausbreitet. Viel mehr schleicht sie sich von hinten an. Genussvolle Aktivitäten machen nicht mehr so viel Spaß, Raus zu gehen stellt eine scheinbar unüberwindbare Hürde dar und die Zukunft wirkt nicht geheimnisvoll, sondern wie eine trockene Steppe ohne Aussicht auf Wasser (etwas zugespitzt, ja). Die Gedanken bleiben nicht bei dem, was man gerade tut, sondern machen munter Ausflüge in die Vergangenheit, in der ja alles vermeintlich so viel besser war. Zurück bleibt ein schaler Geschmack und am Ende des Tages die Frage: Was habe ich heute eigentlich gemacht?  Ich bin im Kopf überall, aber nicht hier. In mein...
Aus dem letzten Loch pfeift sichs auch irgendwie. Wenn sie dir sagen, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Trotzgefühl her. Doch. Es geht, und wie es geht.  Es wäre gelogen, zu behaupten, dass ich keine Zweifel habe. Die werde ich immer haben. Allein schon deshalb wäre ich nie diejenige gewesen, die zum Mond fliegt. Da könnte viel zu viel schief gehen. Ach, und ist das überhaupt ein erstrebenswertes Ziel, den Mond zu betreten? Dürfen wir das überhaupt? Gibt es nicht Wichtigeres zu tun? What about this, what about that... Der Zweifel als Konstante. I bims, 1 Unsicherheit.  Nichtsdestotrotz und darüber hinweg geht's weiter. Irgendwie geht's immer, und zwischendurch sogar ganz gut. Wer hätte das gedacht? Ich nicht. Trotz und Selbstbehauptungswillen (und Sturheit - nicht stolz drauf) sind mächtige Triebkräfte. Wenn auch nicht immer in die richtige Richtung.  Dabei weiß ich manchmal nicht, ob ich gerade wirklich weiter komme oder einfach weiter mache . Bewegt sich etwas vo...