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Im Sicherheitsgurt

 Woher kommt dieser Mythos, das Leben müsse immer aufregend und neu sein, wenn man jung ist? Mag sein, dass in vielen Jugendlichen und Jungadoleszenten eine unstillbare Neugier auf Erlebnis brennt und darauf, ihre Grenzen auszutesten. Wenn überhaupt vorhanden, glüht die bei mir nur gelegentlich mal. Jede(r) ist anders, und ich strebe mehr nach Sicherheit als darauf, diese ständig aufs Spiel zu setzen. Wenn ich mir schon verwegen vorkomme, wenn ich in die wöchentlichen Hörvorschläge eines einschlägigen Musik-Streamingdienstes reinhöre, erreiche ich auf dem Persönlichkeitsmerkmal "Offenheit" des wohl populärsten Persönlichkeitstests sicher nicht mal einen durchschnittlichen Wert. Was soll's. Mein Bett liegt sich eben erwiesenermaßen bequem, während das bei einem potentiell aufzugabelnden wildfremden GV-Partner nicht mit 100%iger Sicherheit prognostiziert werden kann. Wahrscheinlich entgehen mir so viele Augen öffnende Erlebnisse. Aber auch viele Verunsicherungen, Enttäuschu...

Scusi for unperfekt

Wenn ich denke "Schlimmer geht's nicht mehr", dann... ... fällt mir der Blutfleck auf, der mittig meinen Mund-Nasen-Schutz ziert. Oder der Reißverschluss meines Rucksacks geht endgültig entzwei. Oder ich finde die Toilette nicht (weitere Details erspare ich euch). Alles schon passiert.  Dann lege ich meist eine gepflegte kurze Runde Heulen ein, überschütte mich mit Selbstmitleid und verfluche mein Schicksal. Wenn ich dann grade auf dem Weg bin, mich endgültig einzugraben, um die Welt nicht weiter mit meinem würdelosen Antlitz zu beschämen, passiert meistens: Irgendwas Gutes. Der Softwarefehler meines Laptops, mit dem ich mich seit dem Kauf vor fünf Jahren arrangiert habe, löst sich auf einmal von selbst. Die vor ziemlich genau sieben Wochen verschickten Postkarten kommen an. Oder mir laufen erst Dutzende Kinder mit Laternen (und zum Glück mit Eltern; Gott bewahre, wenn die allein unterwegs wären!) und ein derart kickendes Lied bei Spotify über den Weg, dass ich das Vorhab...

Nicht perfekt, aber ganz okay

Selbstsabotage: Mich unterbrechen, wenn etwas läuft, ich im Fluss bin, etwas droht, gut zu werden.  Kontakt mit jemandem abbrechen, der/die einem gut tut. Stattdessen Kontakt suchen mit jemandem, um dessen Aufmerksamkeit man kämpfen muss oder der/die einen herablassend behandelt. Selbstsabotage: Sich das verwehren, was man gerne möchte, und sich später selbst die Schuld geben, dass man nie das bekommt, was man will.  Selbstsabotage: Einen nahestehenden Menschen vorsätzlich verletzen, wenn er einem nahekommt. Sei es, ein Kompliment nicht anzunehmen oder fies zu sein. Sich hinterher klein wie eine verschrumpelte Aprikose fühlen und aus lauter Scham nicht um Entschuldigung bitten.  Selbstsabotage: Genau das tun, was man nie wieder tun wollte, die entsprechende Quittung dafür bekommen und sich schuldig zu fühlen, die eigenen Vorsätze gebrochen zu haben. Begleitet von dem Gedanken, es gar nicht anders verdient zu haben.  Wie kann ich diesen Teufelskreis durchbrechen?...

Scheitern

 "Wer versucht, der scheitert." So ein Standardspruch von Günni, 67. Hilft er mir weiter? Nein.  Denn was er sagt, ist eigentlich nur: In jedem Versuch steckt die Möglichkeit des Scheiterns. Finde dich damit ab. Was ich aber brauche, ist das Gegenteil. Es besteht immer eine Chance (und sei sie winzig klein), dass es klappt. Egal, wie unmöglich es scheint. An dieser Stelle seien jetzt die zahlreichen Erfindungen und Durchbrüche erwähnt, die ohne ein Fünkchen (Über-) Mut nie zustande gekommen wären.  Rückschläge entmutigen trotzdem. Vor allem, wenn sie sich häufen. Statistik, sagen die Rationalisten. Eine Pechsträhne, sagen die Pragmatiker:innen. Versagen, sage ich. Pessimistisch? Realistisch? Zu viel gewollt? Zu wenig gekonnt? Oftmals hilft es auch nicht weiter, das Scheitern hinterher auf seine Ursachen zu analysieren, manchmal aber schon. Habe ich meine Fähigkeiten überschätzt? Die Anforderungen unterschätzt? Oder war es vielleicht einfach nicht das Richtige für mich? Wo...

Was ich mir wünsche

Passend zum neuen Semester neue Illusionen. Heute koche ich Utopien: - Mehr Menschen auf der Straße ansprechen (haha, ich als verklemmter Intro) und weniger Verlassen auf die Rückfallebene Datingapp. - Mehr Sauna, drinnen sitzen und Kaffee trinken und weniger durch die Kälte hetzen.  - Mehr Kapuzenpullover und weniger Cardigans.  - Mehr politischer Mut und weniger Drang zu gefallen.  - Mehr Ehrlichkeit und weniger Angst, Leute vor den Kopf zu stoßen.  - Mehr Ruhe, um zu lesen und weniger Überreizt- und Überladensein.  -Weniger Angst vor dem Alleinsein.  - Mehr Rücksichtnahme auf Andere, ohne dass diese sie lautstark einfordern müssen, und weniger Recht des Stärkeren.  - Mehr Aushänge an Schwarzen Brettern.  - Mehr Boskoop, Topaz und Holstein Cox statt nur Jonagold, Gala und Granny Smith.  - Mehr mutige Straßenmusikant:innen und weniger Kaufhausmusik.  - Mehr indirekte Beleuchtung und weniger Neonröhren.  - Mehr Fehlerkultur und Wärm...

Wer nicht im Glashaus sitzt

Houston, wir haben ein Problem. Ausnahmsweise meine ich nicht das Ende der Merkelschen Kanzlerschaft. Wäre es nur das... Wir wandeln umher wie in Glaskästen: Stark, unverletzlich, durch nichts zu beeindrucken. Wir zeigen nicht nur keine Gefühle (außer vielleicht Freude, manchmal auch geheuchelte), nein, wir tun so, als hätten wir gar keine. Ringsum nüchtern dreinblickende Menschen, die Probleme mit Vernunft lösen. Krisen? Nö. Ham se nich. Nie gesehen.  Warum ist das nun ein Problem? Ist doch super, wenns allen flauschig geht. Tut es das? Nehme ich das einzige Anschauungsobjekt, welches mir vollumfänglich Einblick in das menschliche Dasein gibt, also mich selbst, stimmt das so nicht. Bin ich die Ausnahme von der Regel? Bin ich die Einzige, der bei manchen Liedern ein Schauer über den Rücken läuft vor Rührung, Melancholie und bittersüßer Traurigkeit? Bekommt sonst keine(r) einen Kloß im Hals, wenn etwas Schönes zu Ende geht, sich jemand aus unserem Leben verabschiedet oder die Perso...

Reinschnuppern in ein anderes Leben

 ... eins auf dem Land, mit Tieren und Garten.  Anfängliche Berührungsängste und zu viel Ehrfurcht hindern, Neugier und Mut zu scheitern begünstigen das Reinflutschen. Unterschiedlich können wir ja trotzdem bleiben: Ich werde nie reinlich und optimistisch sein. Solange ich nicht übermäßig mosere und meine Apfelkerne auch mal einsammle, nachdem ich sie wild durch die Botanik schleudere - okay, mach ich nicht. Na ja. Mit so viel Mühe an ein paar Kartoffeln rumzutütteln, die im Supermarkt keine müde Mark kosten, verlangt mir Bewunderung ab. Ein Mensch, der (bzw. die) in einem Stück trockener Erde, einem Samentütchen und einem Komposthaufen so viel Potential sieht. Der die Pupse seines Pferdes und Gestank nach nassem Hund hauptsächlich lustig und wahrscheinlich längst nicht mehr eklig findet. Der auf so viel Komfort (einen Supermarkt in Laufweite, Bars und Restaurants, eine Busanbindung) verzichtet und dennoch dankbar ist für sein Haus und seinen Hof in der Pampa. Touché. Das muss...