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Wer nicht im Glashaus sitzt

Houston, wir haben ein Problem. Ausnahmsweise meine ich nicht das Ende der Merkelschen Kanzlerschaft. Wäre es nur das... Wir wandeln umher wie in Glaskästen: Stark, unverletzlich, durch nichts zu beeindrucken. Wir zeigen nicht nur keine Gefühle (außer vielleicht Freude, manchmal auch geheuchelte), nein, wir tun so, als hätten wir gar keine. Ringsum nüchtern dreinblickende Menschen, die Probleme mit Vernunft lösen. Krisen? Nö. Ham se nich. Nie gesehen.  Warum ist das nun ein Problem? Ist doch super, wenns allen flauschig geht. Tut es das? Nehme ich das einzige Anschauungsobjekt, welches mir vollumfänglich Einblick in das menschliche Dasein gibt, also mich selbst, stimmt das so nicht. Bin ich die Ausnahme von der Regel? Bin ich die Einzige, der bei manchen Liedern ein Schauer über den Rücken läuft vor Rührung, Melancholie und bittersüßer Traurigkeit? Bekommt sonst keine(r) einen Kloß im Hals, wenn etwas Schönes zu Ende geht, sich jemand aus unserem Leben verabschiedet oder die Perso...

Reinschnuppern in ein anderes Leben

 ... eins auf dem Land, mit Tieren und Garten.  Anfängliche Berührungsängste und zu viel Ehrfurcht hindern, Neugier und Mut zu scheitern begünstigen das Reinflutschen. Unterschiedlich können wir ja trotzdem bleiben: Ich werde nie reinlich und optimistisch sein. Solange ich nicht übermäßig mosere und meine Apfelkerne auch mal einsammle, nachdem ich sie wild durch die Botanik schleudere - okay, mach ich nicht. Na ja. Mit so viel Mühe an ein paar Kartoffeln rumzutütteln, die im Supermarkt keine müde Mark kosten, verlangt mir Bewunderung ab. Ein Mensch, der (bzw. die) in einem Stück trockener Erde, einem Samentütchen und einem Komposthaufen so viel Potential sieht. Der die Pupse seines Pferdes und Gestank nach nassem Hund hauptsächlich lustig und wahrscheinlich längst nicht mehr eklig findet. Der auf so viel Komfort (einen Supermarkt in Laufweite, Bars und Restaurants, eine Busanbindung) verzichtet und dennoch dankbar ist für sein Haus und seinen Hof in der Pampa. Touché. Das muss...

Grüße von der Generation Y

 Da ich wie so manche andere wertvolle Lebensepisode bald das erste Vierteljahrhundert Leben abschließe, hier ein kleiner Spiegel der Themen, die den/die handelsübliche Mittzwanziger:in dieser Tage umtreiben: - Neue Lebensmodelle: Ein schicker Ausdruck dafür, nicht zu wissen, was man mit seinem Leben machen soll. Ein 38,5-Stunden-Arbeitsalltag scheint mir jedenfalls unmöglich.  - Verwirrung im Romantischen: Wer nicht nach spätestens drei Monaten Beziehung darüber geredet hat, die Beziehung zu öffnen - ja, der ist selbst schuld, wenn der/die Partner:in eben mal fremdgeht. Sich alle Optionen offen und den/die Liebste(n) immer lauwarm zu halten gehört zum guten Ton in einer modernen Beziehung.  - Am ökologischen Fußabdruck rumdoktern: Sei es mit Mehrweg-Gemüse-Netzen, stylischen Mehrweg-Glas-Wasserflaschen, Bambus-Zahnbürsten, selbstgemachtem Deo, Kleider von Kleiderkarussell, CO2-kompensierenden 8 Cent auf der Flixbusfahrt oder dem Mitmarschieren bei Fridays for Future. Oh ...
".... bis das Glück wieder an dir vorbeirauscht, weil du ständig in den Rückspiegel schaust."  Jap.  Es könnte alles so schön sein, wenn nicht immer irgendwas wäre.  Zu heiß. Zu spontan. Corona.  Alles, was ich nicht will, ist, in der Rückschau zu sagen: Hätte ich doch bloß...  Mal was ausprobiert, auch wenn es kratzig und ungewohnt und vielleicht nicht 100% passend ist. Mal ein Risiko eingegangen, auch wenn die Chancen für Gewinn eher gering sind. Mal etwas anders gemacht, etwas gehen gelassen, etwas beendet, um mehr Tiefe und Ausdauer in etwas anderes hineinstecken zu können.  Gelebt.  Ach mann. Fest vorgetrampelte Pfade geben Sicherheit. Aber Erkenntnis? Oder gar GLÜCK?

Kapitulation, Kapitän

Meine Beine fühlen sich an wie Quabbelquatsch, die Birne wie in einen Rahmen gepresst - dabei trage ich nicht mal einen Helm. Das eigentlich Unangenehme sind aber nicht meine Verfallserscheinungen, sondern das trotzige Drüber-Hinweg-Marschieren. Wie ein Kind verschließe ich die Augen, nein, rammle die Fensterläden zu vor dem Offenspürlichen: Ich bin schwach. Dieses Eingeständnis brennt wie Säure. Unordentlich, griesgrämig, ahnungslos - Vieles kann ich aushalten zu sein, aber nicht schwach. Ist es eine unzulässige Verallgemeinerung, wenn ich behaupte, dass es so manchem anderen auch so geht?  Woher kommt das ungeschriebene Gesetz, nicht schwach sein zu dürfen? Weil Schwäche dazu führen würde, aufzugeben? Sich geschlagen zu geben, seine vermeintliche Niederlage einzuräumen? Ist es eine Niederlage? Ich finde nicht. Ich finde, bolzengerade zu seinen Unzulänglichkeiten zu stehen und anzuerkennen, dass man nicht mehr kann, ist eher eine Tugend. Ich jedenfalls zolle Respekt, wenn ein Mens...

Die Gespräche, die wir (nie) führen werden

 Ich stehe an der Supermarktkasse und führe ein Gespräch mit einer Freundin.  Sie: "... aber er hat einfach nicht zurückgeschrieben, der Arsch." Es wäre jetzt an mir, in die Hasstirade über den Arsch mit einzustimmen Stattdessen entgegne ich: "Was hast du denn erwartet?" Sie glotzt mich an. Baff. "Seit Wochen spielen wir das immer gleiche Theaterstück: Er baut Scheiße, du regst dich auf. Wie oft willst du das denn noch machen? Oder eigentlich: Wie oft soll ich mir das noch anhören und brav mit dir auf ihn schimpfen?" Hier endet das Gespräch. Nicht, weil ich bezahlen muss. Sondern weil es nur in meinem Kopf stattfindet und der das Skript nicht weitergeschrieben hat. Aber bis dahin ist es schon fix. Nach 43 Überarbeitungen sollte ja auch langsam mal die finale Version stehen.  Warum machen wir das? Gedanklich Gespräche inszenieren mit Freund:innen, Mitarbeiter:innen oder Verkäufer:innen? Tagtäglich und ununterbrochen? Um die sorgfältig zurecht gelegten Worte...

Gesundheit!

Wenn es um Gesundheit geht, messen wir anscheinend immer noch mit zweierlei Maß.  Ein gebrochenes Schlüsselbein oder eine Weisheitszahn-OP erregen mehr Mitgefühl als eine depressive Episode oder eine Angststörung. Klar, psychische Erkrankungen verlaufen oft chronisch oder sind zumindest langwierig, sie haben meist keine akut schlimme, schmerzhafte oder sehr gefährliche Phase und können oftmals nicht nach einem festgelegten Schema mit guter Heilungsprognose behandelt werden. Was meines Erachtens aber den wirklichen Unterschied macht, ist, dass sie schwerer greifbar sind. Wie sie sich äußern und wie sie entstehen, können sich viele Menschen einfach nicht vorstellen. Dabei bin ich überzeugt, dass jede(r) schon mal miese Tage hatte und das Gefühl kennt, wenn einem nichts so richtig Spaß machen will. Der Weg zur Depression führt lediglich über eine verlängerte Dauer und Intensität, die zusammen dann den diagnostisch erforderlichen Leidensdruck ausmachen. Wieso also stellen wir uns so an...