Eine der wichtigsten Kompetenzen in dieser Zeit ist wohl, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden zu können. Ohne Prioritäten verlieren wir uns im Lauf der Dinge. Mich nicht wie ein hypervigilantes Huhn von jedem aufploppenden Kinkerlitzchen aufscheuchen und ablenken zu lassen, muss ich noch üben. Die Nachrichten von heute sind das Archiv von morgen.
Aber was ist wichtig? Arbeiten? Leidenschaften? Am Ball bleiben, medial, politisch, popkulturell? Freund:innen treffen? Trash-TV schauen? Basteln? Reisen?
Schaue ich mich so um, scheinen die Menschen um mich das alles und noch viel mehr unter einen Hut zu bekommen. Dann komme ich angelatscht, zu spät, mit Flecken auf dem Pulli und hab den neuesten heißen Scheiß natürlich nicht mitbekommen. Wie, meine Freunde? Wie macht ihr das? Wie hat man sein Leben im Griff?
Wenn das Leben zur Ruhe kommt, nicht mehr nur fordert und Aufmerksamkeit verlangt und ständiges Probleme-Lösen, wird Raum frei. Der Kopf wird frei von Nöten, die drücken, zerren, reißen. Der Boden ist geebnet zum Entstehen von Neuem oder Wiederaufleben von Altem; der Blick öffnet sich für das, was um einen herum geschieht. Ich atme durch, erst vorsichtig, misstrauisch, so, als müsste ich erst testen, ob die Luft auch wirklich rein ist. Ob der Stille zu trauen ist oder sie nicht doch jäh durch einen Knall zerrissen wird. Dann hole ich tiefer Luft. Atem fließt ein, Atem strömt aus. Langsam, gleichmäßig, rhythmisch. Befreiung. Wieder Da-Sein statt immer etwas Hinterher Rennen. Die Hände wieder frei haben, um zu Handeln, statt nur zu Reagieren oder stumpf Auszuharren und zu Erdulden. Leben statt Warten. Jetzt.
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