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Der Reiz der Mittelmäßigkeit

Rennen, um die Wette, so schnell ich kann, immer. Um ja nicht stehen zu bleiben. Um ja nicht abgehängt zu werden. Zurückzubleiben und in ein paar Jahren mitleidige Blicke zugeworfen zu bekommen, während ich weiß, dass sie in ganz anderen Ligen spielen.

Will ich das?

Vielleicht will ich ja gar nicht perfekt sein. Vielleicht reicht mir mittelmäßig, wenn ich dafür im Reinen mit mir selbst sein kann. Ruhig schlafen, weil ich mit meinen Werten lebe, anstatt Tag für Tag in jemand anderes Interesse gegen sie zu handeln. Mich nicht vergleichen müssen, weil ich weiß, dass sie in den meisten Punkten zwar besser abschneiden, das aber nicht die Punkte sind, in denen ich gut sein will.

Mich nicht über meine Position oder meinen Kontostand definieren, sondern darüber, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Auf die um mich herum achten anstatt auf das Oben. So komme ich nicht weit, aber zur Ruhe.

Schnell bin ich sowieso nicht, und wenn, nur mit Unmengen Kaffee.


Die Vorstellung, dass es immer weiter gehen muss, selbst wenn der Körper eher wieder rückwärts geht, treibt mir Schweißtropfen auf die Stirn. Ich will nicht gegen etwas ankämpfen, was früher oder später sowieso passiert: Verdrängung, Abdanken, Verlust von allem, was Halt gibt. Suchen und in Bewegung bleiben werde ich sowieso immer. Aber ohne, dass mich etwas oder jemand antreibt. Sei es mit einer Peitsche oder einem Flipchart.

Irgendwann stehen bleiben zu können, eine Runde zu verschnaufen, um sich blicken zu können und ganz zufrieden zu sein mit dem, was einen umgibt - das will ich. Luft holen für die schönen Dinge im Leben, die freien Stunden draußen, mit Menschen, selbstgekochtes Essen. Nicht groß, nicht bombastisch, nicht immer noch besser. Mittelmäßig aufregend, neu und komfortabel klingt für mich großartig. Ich bin der kratzende Wollpulli unter den Cocktailkleidern.

Versteht mich nicht falsch, jemand muss all diese wichtigen Aufgaben übernehmen, und wenn ihr das seid, ziehe ich den Hut. Räume den Platz und spaziere gemächlich von dannen. Mögen Andere kämpfen und siegen. Ich nehm' Platz auf der Rentnerbank.

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Freistrampeln

Wenn das Leben zur Ruhe kommt, nicht mehr nur fordert und Aufmerksamkeit verlangt und ständiges Probleme-Lösen, wird Raum frei. Der Kopf wird frei von Nöten, die drücken, zerren, reißen. Der Boden ist geebnet zum Entstehen von Neuem oder Wiederaufleben von Altem; der Blick öffnet sich für das, was um einen herum geschieht. Ich atme durch, erst vorsichtig, misstrauisch, so, als müsste ich erst testen, ob die Luft auch wirklich rein ist. Ob der Stille zu trauen ist oder sie nicht doch jäh durch einen Knall zerrissen wird. Dann hole ich tiefer Luft. Atem fließt ein, Atem strömt aus. Langsam, gleichmäßig, rhythmisch. Befreiung. Wieder Da-Sein statt immer etwas Hinterher Rennen. Die Hände wieder frei haben, um zu Handeln, statt nur zu Reagieren oder stumpf Auszuharren und zu Erdulden. Leben statt Warten. Jetzt. 

Immer mal was Neues

Neu anzufangen erfrischt beim zweiten oder dritten Mal noch fast genauso wie beim ersten. Warum mache ich es dann so selten? Weil es wie ein Sprung in den See ist: Nicht nur erfrischend, sondern auch bezitternd, einschüchternd, Überwindung kostend. Dann doch lieber das gute Alte, Bekannte. In unseren Routinen haben wir uns heimelig eingerichtet, fühlen uns sicher. Hat bisher geklappt, wird es also auch in Zukunft. Was neu ist, ist fremd, will erstmal vorsichtig begutachtet und überprüft werden. Schließlich kann es auch schief gehen, und wo landen wir dann? Offenes Ende.  Der Trugschluss dabei: Ganz oder gar nicht. Ich glaube, mich entscheiden zu müssen, und mit der Wahl des Neuen zwangsläufig das Alte zu verlieren. Unwiederbringlich. Das ist aber seltenst der Fall. Weitaus häufiger können wir erstmal einen Zeh ins kalte Wasser halten und bei maximaler Abstoßung unmittelbar zurück in den Schutz des warmen weichen Handtuchs fliehen.  Trotzdem gibt es natürlich einige Tätigkeiten...
 This week's insights (so far): - Stress and worries are subjective perceptions. What you consider an easy task might be a tough challenge for me. Everyone has their own threshold for when things get too much or too difficult to handle.  - Coffee helps. Almost always. Except from when trying to fall asleep.  - Spending time with friends and family is nice, but when introverts don't get enough alone time, we can't enjoy others' company either. Fill your batteries first. There's no obligation to be sociable all the time. - Shitty days can get better. The next day at the latest.  Maybe not what spring looks like, but a hommage to the grandiosity of beds - Wrapping yourself in the soft coat of sleep can magically remove worries overnight.  - Spring hasn't come yet. So let's enjoy the last days of winter doing what we will be too busy to do during summer: Drinking tea, reading the newspaper, streaming videos and wearing woolen socks.