Direkt zum Hauptbereich

Etwas sein und Vieles sein

 Wir brauchen Vorbilder. Ich zumindest brauche eins, oder am besten gleich zwei bis sieben. Für jeden Aspekt des Lebens und jede Charaktereigenschaft, die ich entwickeln oder verbessern möchte, eines. 

Zum Beispiel die Gelassenen. Das sind die, die sich dem allgemeinen Leistungszwang entziehen und eine ruhige Kugel schieben oder eben einfach das machen, was nötig ist und ihr Leben darüber hinaus mit selbstgewählten Inhalten und Leidenschaften verbringen. So ein Tag bekommt sich nämlich ganz wunderbar mit alln möglichen schönen oder aus anderen Gründen wichtigen Aktivitäten füllen, ohne acht Stunden stumpf hinter einem Bildschirm auszuharren. 

Ein Vorbild für die Widersprüchlichkeit. Kein Mensch ist zu 100% konsistent. Einerseits möchte ich selbstbestimmt und unabhängig leben, andererseits sehne ich mich nach jemandem, um den ich kreise. Das soll mal eine:r verstehen. Besser, es gar nicht erst zu versuchen. 

Außerdem eines für die Eckigkeit. Jemand, der/die nicht so richtig gefällt, mit dem/der es oft kompliziert ist und der sich schlecht vorhersagen lässt. Den/die man manchmal auch nicht so richtig mag. Der/die das ausspricht, was alle insgeheim wissen, aber keiner sagen will. Auch die unbequemen Wahrheiten. Der beharrlich bleibt trotz Orkanen von Gegenwind.

Den Genussmensch, den brauchen wir auch. Der es sich gut gehen lässt und auch mal einen über den Durst trinkt. Der nur lacht über Zeitungsartikel über "Die perfekte Zeit zum Aufstehen", "Das Low-Carb-Programm" oder "Wie wir alle mehr an einem Tag erledigt bekommen". 

Ach ja, und denjenigen, der/die alberne Ideen hat und sie völlig ernsthaft verfolgt. Den Illusionär. Der/die an das Gute im Menschen glaubt (der gesellschaftliche Diskurs schlägt ihm schon noch früh genug auf den Schnabel). 

All diese duften Leute möchte ich irgendwo im Kosmos rumschweben wissen, um mich an ihnen zu orientieren. Denn wenn alles in mir und um mich herum sich zu verhärten droht, möchte ich dem was entgegensetzen können, die Lebendigkeit hochhalten und das, was eigentlich wichtig ist, im Blick behalten. Im Zweifel für den Zweifel. 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Einsamkeit

Einsamkeit bricht nicht plötzlich über einen herein wie ein Gewitter. Vielmehr schleicht sie sich leise, zunächst unbemerkt an. Schwelt wochen- oder monatelang vor sich hin wie Schimmel, bis zu dem Tag, an dem man beim Staubsaugen die Zimmerecke mal etwas genauer inspiziert. Ab diesem Moment, der durch einen leichten Schreck gekennzeichnet ist, fragt man sich: Wie konnte ich das so lange nicht sehen?  Das Problem ist: Genau wie gegen Schimmel gibt es gegen Einsamkeit kein akut und sofort wirksames Heilmittel. Das ist das Blöde an Erwachsenenproblemen, dass man sie nicht einfach wegheulen oder -trösten kann. Eine Internetrecherche fördert auch keine neuen Weisheiten: Einfach raus gehen, Vereinen beitreten, Leute ansprechen. Introvertierten Menschen läuft es kalt den Rücken hinunter.  Vor allem hat die Einsamkeit bei mir nicht unbedingt etwas mit einem Mangel an Kontakt zu tun. Vielmehr ist der die Folge, und die eigentliche eitrige Wurzel liegt in einem Gefühl der Leere. An Si...

Im Sumpf

Viele von Euch kennen das, in der ein oder anderen Ausprägung, in stärkerem oder schwächerem Ausmaß: In den Seilen hängen. Im Loch hocken. Durchgelatscht sein. Während viele Depression immer noch mit Traurigkeit und Weinen assoziieren, macht sie sich bei mir eher durch Leere bemerkbar. Oder eben nicht. Sie fällt einem nicht auf wie ein Ausschlag, der plötzlich auftaucht und sich ausbreitet. Viel mehr schleicht sie sich von hinten an. Genussvolle Aktivitäten machen nicht mehr so viel Spaß, Raus zu gehen stellt eine scheinbar unüberwindbare Hürde dar und die Zukunft wirkt nicht geheimnisvoll, sondern wie eine trockene Steppe ohne Aussicht auf Wasser (etwas zugespitzt, ja). Die Gedanken bleiben nicht bei dem, was man gerade tut, sondern machen munter Ausflüge in die Vergangenheit, in der ja alles vermeintlich so viel besser war. Zurück bleibt ein schaler Geschmack und am Ende des Tages die Frage: Was habe ich heute eigentlich gemacht?  Ich bin im Kopf überall, aber nicht hier. In mein...
Aus dem letzten Loch pfeift sichs auch irgendwie. Wenn sie dir sagen, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Trotzgefühl her. Doch. Es geht, und wie es geht.  Es wäre gelogen, zu behaupten, dass ich keine Zweifel habe. Die werde ich immer haben. Allein schon deshalb wäre ich nie diejenige gewesen, die zum Mond fliegt. Da könnte viel zu viel schief gehen. Ach, und ist das überhaupt ein erstrebenswertes Ziel, den Mond zu betreten? Dürfen wir das überhaupt? Gibt es nicht Wichtigeres zu tun? What about this, what about that... Der Zweifel als Konstante. I bims, 1 Unsicherheit.  Nichtsdestotrotz und darüber hinweg geht's weiter. Irgendwie geht's immer, und zwischendurch sogar ganz gut. Wer hätte das gedacht? Ich nicht. Trotz und Selbstbehauptungswillen (und Sturheit - nicht stolz drauf) sind mächtige Triebkräfte. Wenn auch nicht immer in die richtige Richtung.  Dabei weiß ich manchmal nicht, ob ich gerade wirklich weiter komme oder einfach weiter mache . Bewegt sich etwas vo...