Meine Schrecktoleranz ist gestiegen. Dinge, die mich vorher erstaunt bis geängstigt hätten, bewirken nur noch ein müdes "Aha". Ich rechne mit allem. Nach neun Monaten Leben in Habachtstellung - mal mehr, mal weniger - scheint es kein "Davor" mehr zu geben. Wenn Menschen in Büchern oder Filmen keinen Mundschutz tragen, Restaurants besuchen, zuckt es in mir. Wie lange ist das her, dass so etwas ganz normal war, Alltag?
Lange, scheint mir. Ich habe mich an die neue Normalität gewöhnt. Soziale Kontakte sind bei mir assoziiert mit Frieren, Bars und Cafés sind Relikte aus früheren Zeiten. Ob wir die wohl noch einmal geöffnet erleben?, frage ich mich und weiß nicht, wie weit ich mit diesen Zweifeln von der Realität entfernt bin. Weil alles möglich scheint.
Immer noch kenne ich selbst keinen Menschen, der an Covid erkrankt ist oder war. Dadurch ist es immer nur ein wages Ahnen, ein Runden-Drehen um den heißen Brei. Was ist das denn nun? Wie fühlt es sich an? Wie gefährlich ist es? Um Antworten sind Experten dieser Tage nicht verlegen, und das ist auch gut so, denn es nimmt mir die Unsicherheit. Ja, manchmal will auch ich von außen in meinen Freiheiten beschnitten werden, weil die Versuchung sonst allzu groß wäre, sie doch auszuleben. Wissen werden wir es eh erst hinterher. Was das für ein Viech ist, dieses Covid, meine ich.
So reichen meine Pläne maximal bis übermorgen und meine Träume beginnen erst nächstes Frühjahr. Bis dahin hoffe ich, nicht verrückt zu werden, und halte aus. Das kann manchmal ganz nett sein. So wie ein Besuch bei der Oma. Gemütlich. Aber eben doch nicht so ganz das eigene selbstbestimmte Leben.
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