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Wenden und umkehren

Niemand handelt gern gegen seine Prinzipien.

Hinter seinen eigenen Ansprüchen zurückzubleiben, schmeckt bitter. Bauchschmerzen machen aber vor allem die Entscheidungen, die wir bereuen. Wenn wir anders handeln, als wir es uns von uns selbst wünschen. Wenn die getroffene Entscheidung so nicht in das Bild passen will, das wir von uns haben (oder gerne hätten). Gründe gibt es genug, und ich gehe so weit, zu behaupten, manchmal ist es unvermeidlich, ein oder zwei Ideale über Bord zu schmeißen. Oder zumindest für einen Moment die Augen zu verschließen und so zu tun, als seien sie nicht da.
Handle ich gegen besseres Wissen und Gewissen, ist das ein bisschen wie das Einhauen einer Wand: Da war etwas, was ich für fest und gesetzt hielt, und dann lässt es sich so leicht zum Einsturz bringen. Woran soll ich mich denn dann orientieren?

Manchmal gibt es ein Zurück. Das ist oft mit Reue und Demut verbunden. Manchmal bleibt nur, es als Lektion zu betrachten, die einem das Leben auftrug, zu schlucken und weiterzumachen. In manchen Fällen stellt sich die Entscheidung als richtig und die ehemaligen Ideale als, na ja, zumindest nicht mehr passend, heraus. Eine Erkenntnis auf Umwegen.

Vor meinem inneren Auge nimmt das Leben in den Momenten des Bewusstwerdens der eigenen Verfehlungen, des Verleugnens der persönlichen Werte, die Gestalt eines alten, weißhaarigen, bärtigen Mannes an (was, ist hier etwa Gott im Spiel? Wohl eher Freud.), zieht die Augenbrauen hoch, nickt gemächlich und weise und sagt - nichts. Weil ich, das bloßgestellte, reumütige Kind, mich eh schon winde. Das eigene Über-Ich ist meist mächtiger als jeder Schulmeister.

In solchen Momenten glättete wohl ein bisschen Wohlwollen mit sich selbst die Wogen. Denn: Wer frei ist von Verfehlungen, der werfe den ersten Stein.

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