Ein weitläufiges Haus, ein großer Innenhof mit
Bänken zum Ausruhen, ein Garten voller Rosen. Gemälde zieren die Wände, ein
Flachbildfernseher das Wohnzimmer. Jähes Geschrei zerreißt diese Idylle.
Wir befinden uns im Altenheim Santo Domingo,
und der Bewohnerin Perfecta passt irgendetwas so gar nicht. Wer oder was der
Störfaktor ist, kann nicht ausgemacht werden. Wie einige andere ist Perfecta
stumm. Das ist eines der vielen Dinge, die man hier lernt: Sich mit Händen und
Füßen zu verständigen. Dann gibt es noch die Fäkalien, mit denen man sich
intensiv auseinandersetzen muss. Zur Erhaltung eurer hoffentlich guten Laune
gehe ich an dieser Stelle nicht weiter ins Detail.
Menschen altern unterschiedlich- das kann man
an den etwa 35 Omis und Opis hier beobachten. Da gibt es die, die einfach nur
ihre Ruhe haben und vor sich hin dösen möchten. Die, die bitterer sind als
jeder türkische Mokka und sich auf Krawall gebürstet über eine Druckstelle an
ihrer Kartoffel echauffieren. Manchen jedoch – und das verblüfft mich immer
wieder- scheint nicht mal die verlorene Sehkraft oder ihr Rollstuhl ihren Humor
zu nehmen. Vergesse ich Anita mal wieder eine halbe Stunde auf dem Klo, grinst
sie mich keck aus ihrem fahrenden Untersatz an. Dona Elizabeth produziert die
feinsten Häkelarbeiten, die ich hier in Bolivien gesehen habe. Ach ja, und dann
gibt es noch die, die gelinde gesagt nicht mehr ganz in dieser Welt leben. Die
auf ihren Gummilatschen „Flöte spielen“ und die Akustik dazu selbst brummen.
Die auf allen Vieren durchs Blumenbeet kriechen. Die wild gestikulierend
unsichtbare Geschöpfe auf Kniehöhe anbrüllen. Aber hier ist keiner mehr
taufrisch, und jeder Einzelne macht diesen bunt zusammen gewürfelten Haufen
liebenswert.
Den Haufen schmeißen drei PflegerInnen und
Küchen-, Wasch- und Reinigungspersonal. Ein Knochenjob mit sechs Arbeitstagen
pro Woche und unverhältnismäßiger Bezahlung. Die Oldies bleiben dabei manchmal
auf der Strecke. Was harte Tage aufhellt: Das gemeinsame Essen, die
Tratschereien, Sticheleien und Witze und der freundliche Umgang (zumindest
vornerum). Hier werden Geburtstage gefeiert, Lebensentscheidungen getroffen,
Ratschläge gegeben und manchmal auch gezofft.
Schräg ist das Duschen: Auf mehr oder weniger
großen Widerstand stößt man immer, und manchmal bekommt man eine gewischt. Oder
wird angepinkelt.
Anita- 1,50 m Lebensfreude |
Meinen Namen weiss hier kaum einer - meistens wird einfach "chocita" (Blondie) gebruellt, und ich komme angedackelt. Meistens ist dann ein Pinkelgang noetig, irgendein Koerperteil schmerzt oder es wird nach Nahrung verlangt. Oder Dona Lola fragt mich zum wiederholten Male, ob ich ihre Tochter gesehen habe.
Wir altern alle, und keiner weiss, was aus uns wird. Ob wir dement, verbittert oder wehleidig werden. Das ruft man sich ins Gedaechtnis, wenn einem der Geduldsfaden zu zerreissen droht vor lauter Gemecker.
So wache ich morgens von den Schreien der Omis und Opis auf und bin dankbar, dass ich noch alleine aufstehen kann.
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